Schwestern des Mondes 05 - Katzenkrallen-09.06.13
Herbstfeuern hüllte mich ein. Er verstärkte seinen Griff um eine Silberkette, die, wie ich nun merkte, an einem Halsband endete. Meinem Halsband.
Der Herbstkönig wandte sich an den Wiedergänger, der sich unterwürfig vor ihm duckte.
»Kusch, du Köter«, sagte er, und seine Stimme ließ den Raum erbeben. »Meine Todesmaiden sind nicht für deinesgleichen bestimmt.«
Als der Geist zurückwich, blickte ich zu meinem Herrn und Meister auf, und er beugte sich zu mir herab. »Delilah, meine Liebe. Ich habe eine Aufgabe für dich. Und kein Geist aus der Welt jenseits des Grabes wird dich dabei stören.« Unter heiserem Lachen machte der Herbstkönig eine knappe Geste mit der Hand, und der Schatten verschwand in einem kreischenden Farbenwirbel.
Kapitel 6
Eine Aufgabe? Durch die betörenden Düfte, die meine Sinne bestürmten, hallten die Worte in meinen Ohren wider. Und dann spürte ich, wie ich mich erneut zu verwandeln begann. Binnen Sekunden stand ich in einer Wolke aus Nebel und glitzerndem Rauch vor dem Herbstkönig. Die anderen konnte ich nicht sehen, aber ich wusste aus Erfahrung, dass sie da waren - dass er uns beide nur in eine etwas andere Dimension versetzt hatte.
Sobald ich mich von der plötzlichen Verwandlung zum Panther und wieder zurück erholt hatte, blickte ich zum Herbstkönig auf. Elementarfürsten waren offenbar immer so groß, dass sie sogar vor jemandem mit meiner Statur drohend aufragten.
Außer in meinen Träumen hatte ich den Herbstkönig erst ein einziges Mal gesehen, als ich Kyoka, einen tausend Jahre alten Werspinnen-Schamanen, bekämpft und besiegt hatte. Ich beugte das Knie. Immerhin war er mein neuer Herr, obwohl ich mir das nicht ausgesucht hatte. Die Tätowierung in Form einer schwarzen Sense auf meiner Stirn verband mich mit ihm und würde mich auf ewig an meine Pflicht erinnern. Ich schuldete ihm Respekt.
»Ich weiß nicht recht, wie ich Euch ansprechen soll«, sagte ich. i Er blickte auf mich herab, und ein seltsames Glitzern tanzte in seinen Augen. Wenn man so zu ihm aufblickte, sah er auf finstere Weise anziehend aus, und ich spürte, wie mir beinahe der Atem stockte. War dies der Grund dafür, dass seine Todesmaiden, die ihm nach dem Tod dienten, zugleich seine Ehefrauen wurden? Er besaß Charisma, aber es war mit einer so jenseitigen Fremdheit durchsetzt, dass ich nicht hätte sagen können, ob er nun nach gewöhnlichen Maßstäben gut aussah oder nicht.
»Niemand kennt meinen Namen, keinen Namen, wie ihr ihn habt, doch ich werde dir einen geben, mit dem du mich ansprechen darfst. Er ist nur für deine Lippen und meine Ohren bestimmt.« Er beugte sich über mich, und seine Lippen streiften mein Ohr. Ein ängstlicher Schauer, der beinahe an Erregung grenzte, rieselte durch meinen ganzen Körper. »Du darfst mich Hi'ran nennen«, sagte er und strich mir dann mit den Fingern über die Lippen.
Ich konnte kaum atmen, denn seine kalte Berührung jagte Funken durch meinen Körper.
»Hi'ran«, wiederholte ich, wie gebannt von den Empfindungen, die er in mir auslöste. Ich öffnete den Mund, gerade so weit, dass sein Zeigefinger an der Innenseite meiner Lippe entlang streichen konnte.
»Schweig stil und hör mir zu. Du wirst meinen Namen niemals einer anderen lebenden Seele nennen, noch einer jener Seelen, die tot sind oder über das Grab hinaus wandeln.
Er verbindet dich mit mir, und es gibt ihn nur zwischen uns beiden.«
Während er sprach, drang ein sanfter Nebellaus seinen Fingerspitzen und über meine Lippen. Ich spürte, wie er in meinem Mund herumwirbelte, und er schmeckte nach Zigarrenrauch, Cognac und knackenden Kaminfeuern. Ich sog den Rauch tief in meine Lunge ein, und die Energie strömte durch meinen Körper und schärfte all meine Sinne. Am liebsten hätte ich mich in seine Arme gestürzt, ich wollte seine Lippen auf meinen spüren. Er war so fremdartig und doch so verführerisch. Dann stieg der Nebel durch meine Kehle auf und legte sich auf meine Zunge, und ich wusste, dass ich seinen Namen niemals irgendjemandem würde nennen können - ich konnte ihn weder aussprechen noch aufschreiben oder als Gedanken übertragen. Er war unser Geheimnis und würde für den Rest meines Lebens in mir verborgen bleiben.
Dann trat er zurück. Ich wusste nicht, ob das gleiche Begehren auch in ihm aufflackerte, doch er ließ den Blick langsam über meinen Körper gleiten und sah mir dann wieder ins Gesicht. »Ich habe einen Auftrag für dich. Du sollst in dein Heimatland
Weitere Kostenlose Bücher