Schwestern des Mondes 06 - Vampirliebe-09.06.13
gegessen hatte.
Ungeheurer Durst erwachte in meiner Kehle, und die Gier nach Blut wirbelte meine Gedanken durcheinander. Ich wollte jagen, fangen ...
»Hallo, du bist ja wach.« Camille saß in der Ecke und las Zeitung. Sie lächelte mich breit an, und ich schüttelte mich aus meinen Gedanken, zwang mich, tief Luft zu holen und bis fünf zu zählen, um mich wieder zu beruhigen. Sie hatte es offenbar gehört, denn sie fragte: »Hast du Durst? Entschuldige - ich wusste nicht, wann du zuletzt getrunken hast. Sonst hätte ich nicht hier auf dich gewartet.«
Ich bekam mich allmählich in den Griff und lächelte sie schwach an. »Ich hätte etwas trinken sollen, ehe ich heute Morgen ins Bett gegangen bin. Mir tut es leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.« Ich lächelte. Ich war so mit Rozurial beschäftigt gewesen, dass ich vergessen hatte, etwas zu trinken, ehe ich schlafen ging - dabei versuchte ich immer, daran zu denken. Denn wenn ich nicht aufpasste, konnte etwas, das Vorjahren geschehen war, noch einmal passieren.
Ein Jahr, nachdem der AND mir geholfen hatte, meinen Wahnsinn zu überwinden, war man zu der Ansicht gelangt, dass ich nun genug Selbstbeherrschung gelernt hätte, um nach Hause zurückkehren zu dürfen. Vater war nicht begeistert, hatte es mir aber erlaubt. Während Delilah und er sehr vorsichtig um mich herumschlichen, nahm Camille mich wieder zu Hause auf, als sei nichts geschehen. Oder eher, als sei etwas geschehen, aber jetzt ginge das Leben eben weiter.
Als ich nach Hause kam, war noch keine von uns an all die Veränderungen gewöhnt, die immer noch in mir vorgingen. Die Übergangszeit dauerte bei Vampiren recht lang. Na ja, die anfängliche Verwandlung ging sehr schnell, aber bis man sich in seinem neuen Dasein zurechtfand, dauerte es eine Weile, vor allem wenn der eigene Meister einen hinausgeworfen und sich selbst überlassen hatte.
Eines Abends wollte Camille nachsehen, ob ich schon wach war. Sie stand direkt neben dem Bett, als ich aufwachte, durstig, gierig nach dem Geschmack von Blut in meinem Mund, und in meiner Leidenschaft und Blutgier erkannte ich sie nicht. Ich packte ihren Arm, zerrte sie zu mir und riss die schneeweiße Haut mit den Fingernägeln auf. Sie schrie, und ich presste die Lippen an ihre Wunden und saugte und schleckte ihren süßen, salzigen, köstlichen Lebenssaft.
»Menolly! Menolly!«
Nur diese zwei Schreie hatte es gebraucht, mich aus meiner Trance zu reißen. Bei ihrem Anblick, blutend und von Grauen gepackt, erstarrte ich auf der Stelle. Camille hatte mich davor gerettet, meine eigene Familie zu ermorden. Camille hatte ihr Bestes getan, um mir das Gefühl zu geben, dass ich immer noch ein Teil der Familie war. Und jetzt hielt ich Camille gepackt, lange, blutende Wunden zogen sich über ihren Arm, und ihr Blut klebte mir feucht am Kinn.
Ich ließ ihr Handgelenk los, kroch langsam rückwärts und duckte mich auf meinem Bett zusammen.
»Töte mich. Töte mich auf der Stelle, ehe ich einer von euch etwas antue.« Der Geruch ihres Blutes lockte mich immer noch, aber ich schob ihn entschlossen beiseite.
Sie wollte nichts davon hören. »Nein. Du kannst lernen, dich zu beherrschen. Und das war dumm von mir«, sagte sie, durchquerte den Raum und wickelte sich ein Handtuch um den Arm. »Nächstes Mal werde ich nicht so dicht am Bett stehen, dass du mich einfach packen kannst. Wie lange brauchst du denn, wenn du aufwachst? «
»Wovon sprichst du?«, entgegnete ich dumpf.
»Wie lange brauchst du, bis dir bewusst wird, wo du bist?«
Ich dachte darüber nach und beobachtete sie genau. Sie sah nervös aus, aber nicht angewidert. Und ihr Gesichtsausdruck sagte mir, dass sie mich nicht weniger liebhatte. »Ich weiß nicht. Ein paar Minuten. Aber ich kann sowieso nicht gleich aus dem Bett springen. Bis ich so weit bin, dass ich aufstehen kann, weiß ich, wo ich bin. «
»Du merkst also rechtzeitig, dass ich es bin, wenn ich auf der anderen Seite des Raums bleibe, bis du aufstehst«, sagte sie, als sei die Sache damit erledigt. »Ich sage den anderen, dass der AND uns instruiert hätte, so sei es am sichersten. Dann brauchen wir nicht zu erklären, wie wir es herausgefunden haben.«
Ich wollte protestieren, doch sie winkte ab.
Von da an stand nie wieder jemand zu nah an meinem Bett, wenn ich aufwachte. Und ich verletzte nie wieder jemanden, den ich liebte.
Camille trug immer noch die Narben am Unterarm, aber sie hatte mich nie verraten. Sie hatte Vater erzählt, sie
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