Schwestern des Mondes 08 - Katzenjagd-09.06.13
aufzuspringen, falls mir irgendetwas zu nahe kam.
Bleib ruhig. Bewege dich nicht. Lauf nicht davon. Die Angst ist dein ärgster Feind. Die Angst kann dich vernichten.
Die Worte hallten durch meinen Kopf, aber das war nicht meine Stimme. Wieder spürte ich Hi'ran, doch die Stimme war weicher und glatter als seine, besänftigend und lieblich wie Honig.
Ich setzte mich auf meine Hände und bemühte mich, nicht zu weinen und nicht auf die Dunkelheit zu achten, die sich enger um mich zusammenzog. Der Lichtkreis um die Bank wurde immer kleiner, das schwache Leuchten erlosch allmählich. Etwas streifte meine Schulter, und ich fuhr herum, sah aber nichts. Ein Stups gegen meine andere Schulter, und ich warf mich nach rechts herum. Aber da war niemand. Nichts, wogegen ich kämpfen, nichts, was ich hätte sehen können.
Atme langsam ein und wieder aus. Schließe die Augen. Greife mit deinen anderen Sinnen aus.
Wieder diese beruhigende Stimme, fest und tief, die meine blankliegenden Nerven in weiche, kühle Seide hüllte. Ich gehorchte ihr und atmete langsam ein und aus. Ein Atemzug nach dem anderen. Bewusst, konzentriert, bemühte ich mich, die Angst zu überwinden.
Die Bewegungen um mich her wurden hastiger, und ich riss die Füße vom Boden und zog die Beine unter mich auf die Bank. Ich wollte nichts so sehr wie mich verwandeln, zum Panther werden und den unbekannten Feind angreifen, der im Dunkeln lauerte. Das Geräusch von tausend krabbelnden Insekten, die über den Dielenboden huschten, machte mir schreckliche Angst, verlockte mich aber zugleich, sie zu fangen.
Hör mir zu. Überwinde die Angst, geh über deinen Instinkt hinaus. Mach in Gedanken einen großen Schritt über die Angst hinweg, und fürchte dich nicht davor, in die Dunkelheit zu gehen. Folge meiner Stimme, folge dem Klang meiner Worte, der Spur meiner Gedanken.
Seine Stimme wurde zu einem baden, und ich folgte ihm. Die Worte verstummten, doch die Energie blieb, und plötzlich konnte ich die Signatur erkennen. Ich hatte so oft gehört, wie Camille genau das beschrieben hatte, aber nie verstanden, wovon sie sprach. Seine Stimme hinterließ eine Spur aus glitzerndem Rauhreif, und ich folgte ihr im Geiste, während ich meinen Körper stillhielt und mich zwang, mich nicht zu verwandeln.
Jetzt stell dir ein Licht vor, ein strahlendes Licht in deinem Inneren. Es leuchtet aus dir und verscheucht Nebel, Staub und Spinnweben.
Ich konzentrierte mich darauf, ein Licht zu erschaffen - darauf, irgendwo in mir einen Schalter zu finden. Zunächst geschah nichts, also strengte ich mich noch mehr an und drängte das Licht, in meinem Bauch zu erscheinen und zu leuchten.
Sofort wurde ich von Erinnerungen an Chase und meine Einsamkeit überflutet, und ich hatte das Gefühl, gefährlich zu schwanken.
Lass ihn los. Lass ihn sein, wer er jetzt ist. Geh durch den Verlust hindurch und lass ihn hinter dir. Was fesselt dich an den Schmerz?
Alle möglichen Gedanken schössen mir durch den Kopf, aber eine klare Stimme aus meinem tiefsten Inneren flüsterte: »Ich habe Angst davor, niemandem etwas zu bedeuten.« Sobald ich das ausgesprochen hatte, erkannte ich das kleine Mädchen, das seine Mutter vermisste, das sich in Gesellschaft von Tieren immer wohler fühlte als unter Menschen und das Gefühl hatte, stets im Hintergrund unsichtbar zu werden.
Das bin nicht mehr ich, dachte ich. Dieses kleine Mädchen habe ich vor langer Zeit hinter mir gelassen, aber ich trage immer noch sein Päckchen. Erinnerungen aus meiner Kindheit, Erinnerungen an Hohn und das ständige Gefühl, minderwertig zu sein, zogen an mir vorüber und kreischten Windwandler, Windwandler! Die Kinder, die mich umzingelten und mich reizten und ängstigten, damit ich mich in das Tigerkätzchen verwandelte, die verächtlichen Blicke unserer Verwandten ...
Du bist kein verängstigtes kleines Mädchen mehr. Du bist eine starke, fähige Frau. Die satte, samtige Stimme streichelte mich, und ich wusste, dass sie die Wahrheit sagte.
Lächelnd wischte ich die Erinnerungen wie Spinnweben beiseite. Sie bedeuteten nichts mehr. Ich hatte die Schüchternheit meiner frühen Kindheit überwunden.
Sobald ich diese Angst losließ, stürmten die schrecklichen Bilder von Werspinnen, Karvanak und den Dämonen auf mich ein. Aber ich wusste, dass ich mich in einem Kampf behaupten konnte. So beängstigend diese Wesen auch sein mochten, ich war sicher, dass ich ihnen gegenübertreten und sie besiegen konnte - oder sie zumindest mit
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