Schwestern des Mondes 09 - Vampirblut-09.06.13
Stockwerke hoch über der Straße. Die Lichter der Stadt wirkten weich verschleiert durch den fallenden Schnee. Lautlose Autos krochen die Straßen entlang wie zögerliche Ameisen auf Eis.
Er sprang hoch und hockte sich auf den vorspringenden Rand des Daches. Der Betonstreifen war nur etwa dreißig Zentimeter breit, ohne Geländer oder sonst etwas, woran man sich festhalten konnte. Ein Schwebebalken, eine Runde russisches Roulette, doch er schwankte kein bisschen.
»Wir feiern eine kleine Vor-Sonnenwendparty, nur ein Cocktailempfang. Bei dieser Gelegenheit will ich dich bekannt machen.«
»Wie meinst du das genau?« Ich war nicht sicher, was mich da erwartete.
»Wir werden bei der Party als Paar auftreten, und ich werde bekanntgeben, dass du jetzt meine Gefährtin bist. Ich genieße ein gewisses Ansehen in der vampirischen Gesellschaft –«
»Du meinst, dein Wille ist der Wille der Gemeinschaft.« Allmählich kam ich dahinter, wie die Vampirgesellschaft in der Erdwelt politisch aufgebaut war und funktionierte. Es wunderte mich, dass ich es geschafft hatte, mich bis jetzt außen vor zu halten. Allerdings waren wir ja auch mit Schattenschwinge und seinen Gefolgsleuten recht beschäftigt gewesen.
»Hm, ja. Ich kontrolliere die vampirische Gesellschaft auf diesem Kontinent, jedenfalls zum Großteil. Und wenn ich dich offiziell als meine Gefährtin bekannt gemacht habe, wirst du sehr viel mehr Macht besitzen als jetzt. Du wirst beinahe so etwas wie eine Königin sein. Und ich glaube, diese Macht wirst du in den kommenden Monaten brauchen.« Er machte eine kurze Pause. »Ich kann in gewissem Maße in die Zukunft sehen. Ich weiß von eurem Krieg gegen die Dämonen.«
Als ich den Kopf hochriss, lachte er. »Ach, Menolly, ich weiß von so viel mehr, als du glaubst. Meine Gefährtin zu sein, bedeutet, dass dir gewaltige Ressourcen zur Verfügung stehen. Sollte der Dämonenfürst beschließen, selbst durch die Portale vorzudringen, werden die Vampire sich hinter dir versammeln, wenn du es verlangst. So mächtig wirst du als meine Gefährtin sein.«
Ich starrte ihn an. »Du meinst, du brauchst bloß mit den Fingern zu schnippen, und die Vampire aus der ganzen Gegend kommen angelaufen? Wade versucht mit den Anonymen Bluttrinkern seit Jahren, sie zu gemeinschaftlichem Handeln zu bewegen, und er bringt sie immer noch nicht dazu, zusammenzuarbeiten. Ach, und da wir gerade von Wade sprechen … Was ist mit Terrance? Er hat versucht, Wade die Morde in die Schuhe zu schieben, für die unser Serienmörder verantwortlich ist.«
»Wenn du meine Gefährtin wirst und Wade Rückendeckung gibst, wird er es sehr viel leichter haben. Du hältst die Vampire des Clockwork Club für einflussreich? Vor mir knien sie nieder. Wir, die in der Macht leben, können gewaltigen Einfluss ausüben. Wenn wir uns dafür entscheiden. Das ist ein weiterer Grund, weshalb Terrance sterben muss. Er weigert sich, sich unseren Forderungen zu beugen. Er will sich zum kleinen Partisanengeneral aufschwingen. Wir … ich … ich bin die wahre Macht hinter dem offiziellen Gesicht der Vampirgemeinde in Nordamerika.«
»Wer hat denn beschlossen, Regentschaften einzuführen? Wade hat angedeutet, er hätte die Hand im Spiel gehabt.«
Roman schüttelte den Kopf. »Nein. Blodweyn – meine Mutter – befand es für nötig. Es zementiert die Macht der Familie und gibt zugleich Vampiren, die nicht von königlichem Blut sind, eine Chance, in der Lokalpolitik mitzuentscheiden. Jeder Kontinent wird in mehrere Regentschaften unterteilt, und die Söhne und Töchter der Blodweyn werden die Regenten überwachen und anleiten. Die Zeiten ändern sich. Sosehr ich meine Mutter fürchte, hat sie mich doch endlich von der Notwendigkeit einer aktiv regierenden Monarchie überzeugt.«
»Wie soll das funktionieren?« Wade hatte mir ein bisschen was erklärt, aber wenn ich so darüber nachdachte, war seine Erklärung recht vage gewesen.
»Blodweyn wird aus den Schatten treten und sich der Welt zu erkennen geben. Doch sie wird durch ihre Kinder sprechen, und die wiederum durch die Regenten auf allen Kontinenten. Die Regenten werden Abkommen mit den Atmern schließen, um die Rechte der Vampire zu garantieren, und im Gegenzug gewisse Zugeständnisse machen. Die Regentschaft sollte eigentlich ein Wahlamt werden, aber das erweist sich als problematisch. Also haben wir diesen Plan verworfen und wählen jetzt im Auftrag unserer Mutter selbst die Regenten aus, um sicherzustellen, dass sie
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