Schwestern des Mondes 09 - Vampirblut-09.06.13
selbst von hier aus sagen, dass wir es dem Geruch nach mit demselben Vampir zu tun haben. Er stinkt nach Tod und Schimmel und … Moder …« Moment mal. »Ich rieche Moder.«
Ich eilte zu der Leiche zurück, kniete mich hin und schnupperte an ihrem Hals. »Chase, es ist nur noch schwach wahrzunehmen, aber sie riecht nach Viro-mortis-Gallerte. Ich garantiere dir, dass die Frau nicht in den Tunneln herumgeschlichen ist. Das ist der Beweis dafür, dass er sich durch das unterirdische Seattle bewegt – den verborgenen Teil. Er muss irgendwo eine Wand gestreift haben. Das hier riecht nach grüner Viro-mortis-Gallerte, die wäre nicht allzu gefährlich für ihn.«
»Du meinst, wir müssen wieder da runter? Zu diesen Geistern?« Chase wurde blass.
»Nein. Ich meine, ich muss wieder da runter. Du bleibst oben. Aber ich warte lieber auf Wade. Vielleicht können wir beide zusammen den Mörder aufspüren. Und Ivana Krask hat immerhin einige der Geister beseitigt … an dieser bestimmten Stelle.«
Chase’ Handy klingelte, und er klappte es auf. »Ja? Was ist?« Er klemmte sich das Telefon zwischen Ohr und Schulter, holte Stift und Notizbuch hervor und kritzelte, während er aufmerksam zuhörte. »Gut. Wo wurde er zuletzt gesehen? Gute Arbeit.«
Chase legte auf, kritzelte noch eine Seite voll, riss sie ab und gab sie mir. »Wir haben unseren Mann. Ein Priester namens Charles Shalimar ist vor zwei Monaten verschwunden. Rate, wo er zuletzt gesehen wurde?«
»Im Greenbelt Park District?«
»Bingo. Es gibt eine katholische Kirche ganz in der Nähe des Parks – Our Lady of Mercy –, in deren Pfarrhaus mehrere Priester wohnen. Charles ist von einem nächtlichen Besuch im Krankenhaus, um den eines seiner Schäfchen ihn gebeten hatte, nicht nach Hause gekommen. Nach allem, was Yugi feststellen konnte, wurde sein Verschwinden zwar untersucht, aber sie haben nichts gefunden, und aus irgendeinem Grund sind die Ermittlungen im Sande verlaufen.«
»Wo hat man ihn zuletzt gesehen?«
»Er hat sich von der Nachtschwester verabschiedet, nachdem sein Kranker gestorben war, und ihr gegenüber erwähnt, dass er zu Fuß nach Hause gehen wolle. Das Krankenhaus liegt nur etwa zehn Häuserblocks von der Kirche entfernt, und die kürzeste Route hätte ihn mitten durch den Park geführt.«
Chase hielt mir sein Handy hin. Yugi hatte ihm ein Foto des Priesters gemailt. Der Mann schien für sein Alter ganz gut in Form zu sein, körperlich durchaus fit. Aber nicht fit genug, um sich eine Vampirin vom Leib halten zu können.
»Durch den Park … wo wir die meisten Opfer gefunden haben.«
»Ja. Anscheinend kehrt er zum Schauplatz seines eigenen gewaltsamen Todes zurück.«
Ich holte mein Handy hervor. »Kannst du mir das Foto per E-Mail schicken, damit ich weiß, nach wem ich suche?«
»Sicher.« Er gab meine Mail-Adresse ein. »Eines noch, Menolly.«
»Ja?«
»Sei vorsichtig. Yugi hat erwähnt, dass wir heute Nacht zahlreiche Meldungen über Angriffe auf Vampire überall in der Stadt bekommen. Sieht so aus, als hätte diese Erdgeborenen-Bruderschaft zu den Waffen gegriffen. Zwei Mitglieder der Sekte wurden tot aufgefunden, mit Vampir-Bissspuren. Ich muss mich nachher in einer Pressekonferenz vor laufenden Fernsehkameras dazu äußern.«
Toll, eine Sorge mehr. Ich nickte, und sobald das Foto des verehrten Priesters auf mein Handy gebeamt war, joggte ich zu dem bekannten Kanaldeckel zurück, um dort auf Wade zu warten. Ich war versucht, ohne ihn da runterzusteigen und einen Amoklauf durch sämtliche Tunnel und Schlupflöcher zu unternehmen, aber ich war nicht so dumm. Mit einem psychotischen Vampir fertig zu werden, würde nicht so einfach sein, auch für jemanden wie mich. Wahnsinn verlieh ungeahnte Kräfte.
Während ich wartete, ließ ich mir die ganze Situation durch den Kopf gehen. Es gab da weitreichende Konsequenzen, die ich mir lieber nicht vorstellen wollte. Die Vampirrechtsbewegung würde einen tödlichen Rückschlag erleiden. Die Kirche würde sich nicht gerade in Vergebung und Versöhnung üben, wenn bekannt wurde, dass eine Vampirin einen ihrer Priester verwandelt hatte.
Bisher hatten die christlichen Kirchen sich zu dem Thema nicht groß geäußert. Es gab nur die offizielle Erklärung, dass die Seele eines Sterblichen nach dem Tod diese Welt verließ – was übrig blieb, konnte folglich nicht als derselbe Mensch gelten wie zuvor. Dem Himmel sei Dank, ignorierte der Gesetzgeber diese moralische Vorgabe, denn die Kirchen
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