Schwestern des Mondes 09 - Vampirblut-09.06.13
sein könnt, ganz egal, wie diese Freundschaft dann vielleicht aussehen muss.«
Sie dachte über meine Worte nach. »Da hast du recht. Ich habe wohl irgendwie erwartet, dass alles so weiterläuft wie vorher und ich eben nur ein Vampir bin. Ich hatte keine Zeit, das gründlich zu durchdenken.«
»Bereust du es, dass du mich gebeten hast, dich zu verwandeln?« Ich berührte sie sacht am Arm und betete darum, dass sie nicht ja sagen würde. Ich hatte geschworen, niemals jemanden zum Vampir zu machen, und meinen Schwur nur wegen einer Warnung von Großmutter Kojote gebrochen: Sie hatte mir gesagt, ich müsse meine eigenen Ängste überwinden, um des Schicksals willen. Was auch immer die Zukunft für Erin bereithalten mochte, ich hatte das Gefühl, dass es viel mehr sein würde, als sie sich je hätte träumen lassen.
Erin blickte immer noch nachdenklich drein. Es gefiel mir, dass sie nicht mehr so versessen darauf war, mir alles recht zu machen und alles zu sagen, was ich ihrer Vermutung nach hören wollte. Sie wuchs in ihre neue Natur hinein.
»Nein, das bereue ich nicht. Ich wollte noch nicht sterben, und das war meine einzige Wahl. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass es gut war, eine Weile mit Sassy zu leben, aber jetzt will ich etwas anderes. Sie macht mich nervös, und wenn ich irgendetwas ohne Erlaubnis tue, bekommt sie einen Tobsuchtsanfall.«
Nun war ich es, die sich auf die Lippe biss. Sassy hatte vor vielen Jahren ihre Tochter verloren. Hatte sie all ihre Liebe – die mütterliche wie die romantische – auf Erin übertragen? Sie schützte Erin noch immer vor dem Ungeheuer, zu dem sie wurde, denn sonst hätte sie Erin nicht hinausgeschickt, ehe sie über das Opfer hergefallen war. Aber hatte sie meine Tochter vielleicht auch daran gehindert, allmählich unabhängiger zu werden?
Ich beschloss, es erst einmal gut sein zu lassen, und hielt ein Kartenspiel hoch. »Wollen wir eine Partie Gin Rommé spielen?« Ich wusste, dass Sassy und Erin hervorragend Karten spielten, und mich langweilte so etwas zwar zu Tode, aber ich wollte, dass Erin sich wohl fühlte.
Sie schüttelte jedoch den Kopf. »Sei mir nicht böse, aber ich hasse dieses Spiel. Ich spiele nur, weil Sassy es so liebt.«
Lachend warf ich die Karten in eine Ecke. »Ist mir recht. Ich mag Rommé auch nicht sonderlich. Was möchtest du denn machen? Wir haben noch ein paar Stunden Zeit, bis die Sonne aufgeht.«
Erin seufzte tief. »Ich würde gern mit dir spazieren gehen. Mal rauskommen, durch den Wald laufen. Sassy geht nicht oft mit mir raus, und ich vermisse das Rauschen des Windes in den Bäumen.«
Ich tauchte in meinen Kleiderschrank ab und schlüpfte in meine Doc Martens. »Gute Idee. Komm, gehen wir.« Ich führte sie die Treppe hinauf und nahm mir fest vor, dass ich meine Tochter im nächsten Zuhause, das ich für sie fand, gut im Auge behalten würde.
Als wir eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang wieder nach Hause kamen, klingelte mein Telefon. Ich ging sofort ran, weil ich fürchtete, es könnte wieder Sassy sein. Erin lümmelte sich zufrieden in den Sessel. Wir waren eine halbe Stunde lang spazieren gegangen und dann wie die Wilden durch den Wald gerast, über umgestürzte Baumstämme, durchs Unterholz und den frisch gefallenen Schnee. Ich zeigte Erin, wie man auf einen Baum klettert, und stellte bestürzt fest, dass Sassy den Großteil des körperlichen Trainings ignoriert hatte, den Erin brauchte. Als wir wieder nach Hause kamen, freute sie sich auf den Sonnenaufgang. Ich konnte diesen bleiernen Sog des Schlafs noch nie leiden, aber Erin schien nicht davor zu grauen.
Ich nahm das Gespräch an und hörte eine leise Stimme, beinahe ein Grollen: »Bitte holen Sie Menolly an den Apparat.«
Der Akzent verriet ihn. Ebenso die Macht hinter seinen Worten. Dass ich keine Rufnummernanzeige hatte, spielte keine Rolle. Ich wusste, wer da am Telefon war.
»Hallo, Roman. Menolly hier.«
»Aha, das Mädchen erinnert sich an meine Stimme. Wie erfreulich.« Er stieß ein kurzes Lachen aus, und mein Magen verknotete sich. Seine Stimme war so volltönend, so stark, dass sie mich sogar über das Telefon lockte, mich in ihren Bann zog. »Mein Dienstmädchen hat mir Ihre Nachricht übermittelt.«
Zitternd zwang ich mich, mich aufs Bett zu setzen. Roman jagte mir eine Scheißangst ein. Er war ein uralter Vampir, und dank Sassy hatte ich ihn einmal getroffen. Er hätte Dredge mit links in die Ecke watschen können. Berechnend war er und kühl und
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