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Schwesternmord

Schwesternmord

Titel: Schwesternmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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»Die Frau – sie lebt noch!«
    Ihr Leibesumfang machte ihre Bewegungen unbeholfen, und sie wäre fast ausgerutscht, als sie aus der Küche hinausstürmte. Der Flur war ein einziges Dokument des Grauens. Spritzer arteriellen Bluts und vereinzelte kleinere Tropfen überzogen die Wand in pulsierenden Bahnen. Sie folgte der Spur ins Wohnzimmer, wo Frost am Boden kniete und mit hektischer Stimme über Funk einen Krankenwagen rief, während er eine Hand auf Bonnie Van Gates’ Hals presste. Zwischen seinen Fingern sickerte Blut hervor.
    Rizzoli ließ sich neben der zusammengebrochenen Frau auf die Knie sinken. Bonnies Augen waren weit aufgerissen, in panischer Angst nach oben verdreht, als könne sie
schon den Tod sehen, der über ihr schwebte, um sie mitzunehmen.
    »Ich kann es nicht stillen!«, rief Frost. Unaufhaltsam sickerte das Blut durch seine Finger.
    Rizzoli riss einen Schonbezug von der Armlehne der Couch und knüllte ihn zusammen. Dann beugte sie sich über Bonnie, um ihr den improvisierten Verband auf die Wunde zu legen. Frost zog seine Hand zurück, und eine Blutfontäne schoss hervor, ehe Rizzoli den Stoffballen auf die Stelle drücken konnte. Innerhalb von Sekunden war er völlig durchtränkt.
    »Ihre Hand blutet auch!«, sagte Frost.
    Rizzoli blickte nach unten und sah einen steten Blutstrom aus Bonnies aufgeschnittener Handfläche fließen. Wir können nicht alles stillen …
    »Rettungswagen?«, fragte sie.
    »Ist unterwegs.«
    Bonnies Hand schoss hoch und packte Rizzolis Arm.
    »Bleiben Sie liegen! Nicht bewegen!«
    Bonnie zuckte, ruderte jetzt mit beiden Händen in der Luft wie ein verängstigtes Tier, das nach einem Angreifer anschlägt.
    »Halt sie fest, Frost!«
    »Mensch, sie ist ganz schön stark!«
    »Bonnie, hören Sie auf damit! Wir versuchen doch nur, Ihnen zu helfen!«
    Wieder schlug Bonnie um sich, und Rizzolis Hand rutschte weg. Ein warmer Strahl traf sie im Gesicht, sie schmeckte Blut. Musste würgen, als ihr die warme, metallische Flüssigkeit in die Kehle rann. Bonnie wand sich, drehte sich zur Seite, ihre Beine zuckten wie unter fortgesetzten Stromschlägen.
    »Sie hat einen Krampfanfall!«, sagte Frost.
    Rizzoli drückte Bonnies Wange mit Gewalt auf den Teppich hinunter und presste den Verband wieder auf die Wunde. Inzwischen war alles voller Blut; Frosts Hemd war
damit voll gespritzt, und Rizzoli spürte, wie es ihre Jacke durchtränkte, während sie sich verzweifelt mühte, auf der glitschigen Haut nicht abzurutschen. So viel Blut. Um Himmels willen, wie viel konnte ein einziger Mensch verlieren?
    Schwere Schritte kamen von draußen herein. Es waren die Männer vom Überwachungsteam, die ein paar Häuser weiter geparkt hatten. Rizzoli blickte nicht einmal auf, als die zwei ins Zimmer gestürzt kamen. Frost rief ihnen zu, sie sollten Bonnie festhalten. Aber das war kaum noch nötig; der Krampfanfall war vorüber, und ihre Glieder zuckten jetzt schon im Todeskampf.
    »Sie atmet nicht mehr«, sagte Frost.
    »Dreht sie auf den Rücken! Los, schnell!«
    Frost legte die Lippen auf Bonnies Mund und blies. Als er sich wieder aufrichtete, hatte er Blut an den Lippen.
    »Kein Puls!«
    Einer der Polizisten legte die Handflächen auf den Brustkorb der Frau und begann mit der Herzdruckmassage. Einundzwanzig, zweiundzwanzig. Seine Hände verschwanden ganz zwischen ihren üppigen Hollywood-Brüsten. Mit jedem Stoß quollen nur einige wenige Tropfen aus der Wunde. So wenig Blut war in ihren Adern verblieben, dass es nicht mehr zirkulieren und die lebenswichtigen Organe versorgen konnte. Es war, als versuchte man Wasser aus einem ausgetrockneten Brunnen zu pumpen.
    Die Sanitäter kamen mit ihren Schläuchen und Monitoren und Beuteln mit Infusionsflüssigkeit. Rizzoli stand auf, um ihnen Platz zu machen, und plötzlich wurde ihr so schwindlig, dass sie sich setzen musste. Sie ließ sich auf einen Sessel fallen und senkte den Kopf. Ihr fiel auf, dass sie auf weißem Stoff saß, den sie wahrscheinlich gerade mit dem Blut an ihren Kleidern verschmierte. Als sie wieder aufblickte, sah sie, dass die Sanitäter Bonnie inzwischen intubiert hatten. Sie hatten ihre Bluse aufgerissen und den BH aufgeschnitten; EKG-Kabel zogen sich kreuz und quer über ihre Brust. Noch vor einer Woche hatte Rizzoli diese Frau
mit ihrer engen pinkfarbenen Bluse und den Stöckelsandalen als hirnloses Barbiepüppchen angesehen, als hohles Plastikgeschöpf. Und jetzt sah sie in der Tat aus wie eine Plastikpuppe, mit ihrer

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