Schwiegermutter inklusive. Einen Mann gibt es selten allein (German Edition)
Vorgehen gebracht. Gebracht hatte sie mir
lediglich eine sehr kindische Form der Rache: Bei jedem Schlag, den Rigoletto ins
Leere spielte, hatte ich hämisch gekichert. Als wir endlich im Zimmer waren und
ich jede Ecke durchsucht hatte, ob meine Schwiegereltern in spe dort vielleicht
kauerten, um wie die Teufel aus der Kiste mit einem „Überraschung!“
hervorzuspringen, entschloss ich mich, das Gespräch mit Rigoletto nicht weiter aufzuschieben. Was raus musste, musste raus.
„Warum
hast du mir nicht erzählt, dass deine Eltern auch mit in unserem Golf-Urlaub
kommen?“, platzte es denn auch förmlich aus mir heraus.
Selbstverständlich hatte ich während der Golfstunde sämtliche
Antwortmöglichkeiten im Kopf durchgespielt und mir eine passende Reaktion für
alle Varianten zurecht gelegt. Sollte Rigoletto beispielsweise behaupten: „Hab´ ich vergessen“, wollte ich mit einem „ Vergeeeeeeeessen !“, das mindestens so lang war wie die
Transsibirische Eisenbahn antworten. „Wie, bitte, kann man vergessen, zu
erzählen, dass die Eltern mit in den Urlaub kommen? Vor allem, wenn man Abends
in der Hotelbar auf sie gewartet hat?“
Wenn seine Antwort in Richtung „Hab´ ich auch nicht gewusst“ ging,
wollte ich kühl nachfragen, wie man bitte einmal in der Woche mit seiner Mutter
telefonieren und trotzdem nicht wissen konnte, dass sie a) in den Urlaub, b)
zur gleichen Zeit wie man selbst und c) an den gleichen Ort ins gleiche Hotel
fahren wollte? Dies alles wollte ich mit einer Stimme so hoch und spitz, dass
die Fensterscheiben des Hotelzimmers kurz vor dem Zerspringen stehen würden,
fragen.
Natürlich gab es noch die Möglichkeit, dass Rigoletto antworten würde: „Sorry, ich habe einfach nicht gewusst, wie ich dir das
beibringen sollte. Meine Mutter war von dem Plan nicht abzubringen.“ Dann würde
ich ihm vergeben. Was sollte man zu so viel Ehrlichkeit auch sonst sagen?
Rigoletto schaffte es allerdings, mich vollkommen zu verblüffen. Mit einer Antwort, die
mir auch dann, wenn ich mehrere Tage Zeit zum Überlegen gehabt hätte, nicht
eingefallen wäre:
„Wir
dachten, wir überraschen dich damit. Ihr habt euch doch Weihnachten so gut
verstanden und da habe ich gedacht, dass du dich freust, wenn meine Eltern mitkommen.“
Dazu lächelte er unschuldig.
Ich hatte mich immer gefragt, wie es eigentlich aussieht, wenn
jemandem die Kinnlade herunterfiel. Da ich bei dieser „Überraschung“ meines
Freundes nicht zufällig vor einem Spiegel stand, wusste ich es immer noch nicht.
Allerdings wusste ich nun, wie es sich anfühlte. Ich wusste sogar, wie es sich
anfühlte, wenn die Kinnlade ungebremst auf den Boden knallte.
Ich war fassungslos. Was sollte und konnte ich auf diese Eröffnung
antworten? Ich konnte schlecht sagen: „Deine Mutter ist ein dicker Fleischberg
in pinkfarbenen Streifen, der Weihnachten am liebsten nackt feiert, im Wald
Kräuter sammelt und so tut, als könne man damit Geld verdienen. Der mich ‚ Mandylein ’ nennt, immer die Küche aufräumen lässt und
unsere Wohnung verunstaltet hat. Warum also sollte ich mich darüber freuen,
dass ich mit ihr gemeinsam Urlaub mache?“
Genauso wenig konnte ich sagen: „Ich habe mich an Weihnachten mit
deiner Mutter nur deshalb gut verstanden, weil ich neben ihren Staubplätzchen
auch jede Menge ihrer blöden Kommentare heruntergeschluckt habe. Und das nur,
damit du nicht merkst, dass ich deine Mutter, gelinde gesagt, grauenvoll
finde.“ Auch meine ehrliche Antwort: „Nur, weil du deine Mutter durch den
Zerrspiegel siehst, haben andere Menschen den Blick für die Realität noch
längst nicht verloren“, konnte ich nicht wirklich kundtun.
Tatsache war: Ich konnte überhaupt nichts sagen. Alles, was ich
hätte sagen können, hätte entweder enttarnt, dass ich Ingrid nicht mochte oder
dass ich der festen Überzeugung war, dass Rigoletto von seiner Mutter über Jahre hinweg auf perfide Art und Weise mit Kräutern vergiftet
worden war, so dass er jetzt nicht mehr in der Lage war, die Realität
wahrzunehmen. Für beide Möglichkeiten war ich noch nicht bereit. Denn ich war
noch immer in meinen Traummann verliebt. So verliebt, dass ich ihn heiraten
wollte und nicht einschätzen konnte, ob meine mögliche Schwiegermutter
tatsächlich so schlimm war, dass sie meinem ganzen Lebensglück im Wege stand.
Also sagte ich mal wieder nichts, was langsam aber sicher zur Routine wurde.
Ich beschloss, dass
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