Schwiegertöchter (German Edition)
nicht.«
»Ich verlange nicht von dir, Suffolk zu verlassen. Vielleicht ziehen wir nur weiter Richtung Ipswich.«
»Nein.«
»Du hast früher in Ipswich gelebt. Du kennst Ipswich.«
»Das war vorher«, sagte Petra.
»Vor was?«
»Vor dir. Und den Jungs. Bevor ich am Meer gewohnt habe und überhaupt vor allem.«
Ralph fuhr schweigend ein paar Kilometer, dann sagte er: »Noch ist nichts passiert. Lassen wir die Dinge auf uns zukommen.«
Petra starrte aus dem Wagenfenster. »Ich will nicht, dass sie auf mich zukommen. Ich war gern in Shingle Street. Dann habe ich mich an Aldeburgh gewöhnt. Ich möchte mich nicht schon wieder umgewöhnen.«
Ralph lenkte den Wagen in ihre kleine Straße. »Das wirst du aber vielleicht müssen.«
Petra erwiderte nichts.
Ralph wiederholte lauter und heftig auf die Bremse tretend: »Das wirst du aber vielleicht müssen.«
»Nein«, sagte Petra.
Später, als die Jungs gebadet waren und Barney in seinem Gitterbett unter dem Dinosauriermobile lag, sagte Petra, sie würde ausgehen.
»Wohin?«, fragte Ralph. Er war dabei, Kit etwas vorzulesen.
»Nur zum Schrebergarten.«
Kit begann, unter seiner Bettdecke hervorzukrabbeln. »Ich will mitkommen …«
Ralph legte die Arme um ihn und hielt ihn zurück. »Nein.«
»Doch, ich will aber.«
»Nein«, sagte Petra. Sie beugte sich zu ihm und strich ihm das Haar nach hinten. »Ich geh nur ganz kurz. Allein. Ich werde die Erdbeeren pflücken.«
Kit fing an zu weinen.
»Ich komme nachher und gebe dir einen Kuss. Mal sehen, ob du noch wach bist, wenn ich zurückkomme, mal sehen, ob du so lange wach bleiben kannst.«
»Bleib bei mir«, sagte Ralph.
»Redest du mit mir?«
»Nein«, sagte Ralph. »Ich rede mit Kit.«
Petra verließ das Haus über den Gartenweg. Es war ein ruhiger, milder Abend, von der untergehenden Sonne in aprikosenfarbenes Licht getaucht, eine kühle Brise kam von der See. Petra lief die Straße entlang, an der Schule vorbei und dann auf die andere Seite, um den Weg zum Schrebergarten einzuschlagen. Ihr fiel ein, dass sie ein Behältnis für die Erdbeeren vergessen hatte, und überlegte, ob sie sie auf einem Zucchiniblatt balancieren könnte oder den Saum ihres Sweatshirts als Beutel verwenden sollte. Sie hatte nie ein Sweatshirt besessen, bevor sie Kinder hatte, und sie hätte etwas so Praktisches und Bequemes und Waschbares auch nie in Betracht gezogen. Sie hatte es nicht gebraucht.
Ein Stück weiter unten am Pfad begrenzte eine niedrige Mauer den Garten eines Hauses, das Petra immer ins Träumen geraten ließ. Oft stellte sie auf dem Heimweg vom Schrebergarten die Bremse vom Buggy fest und hob Kit auf die Mauer, und sie schauten nur schweigend, und dann hatte Petra, wie so oft, das Gefühl, dass es etwas von ihrem innersten Wesen auch in Kit gab und er sie deshalb ohne Worte verstand. Unterhalb der Mauer verlief ein Grasstreifen bis zu einem großen, unbewegten, von Sträuchern umsäumten Teich, manche mit limonengrünen, andere mit dunkelroten Blättern. Dahinter stieg das Gelände abrupt und dramatisch zu einem kleinen Kliff an, auf dessen Anhöhe das Haus stand. Es war kein besonders schönes Haus, es war einfach ein großes, freundliches Haus in einer wunderbaren Lage, von wo aus es den Garten und das Land unter sich, die herrlichen Bäume und die Sumpf- und Schilflandschaft dahinter und das in der Ferne schimmernde Meer überblicken konnte. Es vermittelte Petra das Gefühl von etwas weit Tieferem als Ruhe, das Gefühl von Übereinstimmung, als würde man heimkommen und wie ein Schiff endlich den sicheren Hafen erreichen. Im Grunde also genau das Gegenteil von dem, was der Besuch in Rachels und Anthonys Haus heute in ihr ausgelöst hatte. Es nur anzusehen munterte sie schon auf, und dabei gehörte es nicht mal ihr. Und würde es auch nie.
Sie blinzelte hoch zum Himmel. Ein paar Gänse flogen am Horizont entlang, ihre Schreie durch die Entfernung gedämpft, Schwalben tauchten durch die weiche Luft. Sie würde sehen, was nach dem Mittwoch passierte, und zumindest wusste Ralph jetzt, was sie nicht tun konnte, nicht tun würde, und dass sie klug genug war, um zu merken, wann aus Unterstützung Selbstaufgabe wurde. Sie atmete ein paar Mal tief ein, die Hände flach auf die Mauer gelegt. Sie gehörte niemandem, nicht mal Kit und Barney, nicht mehr, als die beiden ihr gehörten. Und egal, wie sehr man sie mit freundlichen Erwartungen und mit zu Dank verpflichtenden Wohltaten überschüttet hatte, sie war noch immer
Weitere Kostenlose Bücher