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Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Trollope
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verteidigen, würde weder den einen beeinflussen, noch den anderen trösten. Aber sie konnte auch nicht einfach gar nichts tun, wie sie das in ihrer ersten Schockstarre noch geglaubt hatte. Sie würde Petra weder anschreien noch beschimpfen oder zurechtweisen, aber sie musste sie sehen und sie schlichtweg fragen, warum? Warum hatte sie nicht um Hilfe gebeten? Oder wenn sie nicht direkt bitten konnte aus Loyalität zu Ralph – obwohl das eine recht subjektive Loyalitätsauffassung von jemandem wäre, der sich einen anderen Mann zugelegt hatte –, warum hatte sie mit nichts zu verstehen gegeben, wie sehr sie die anstehenden Veränderungen ängstigten, wie substanziell sie sich davon bedroht fühlte?
    Rachel hatte ihre fiktive Begegnung mit Petra in allen denkbaren Variationen durchgespielt. Sie hatte sich Petra aufsässig vorgestellt, Petra in Tränen aufgelöst, Petra bockig und stumm, Petra ausweichend. Sie hatte sich die befriedigende Version verboten, in der Petra erleichtert und dankbar und reuevoll auftrat, und dennoch flackerte dieses verlockende Bild immer wieder an den Rändern ihres Bewusstseins auf, mit einer Beharrlichkeit, die zeigte, wie sehr sie sich danach sehnte. Wenn sie sich dieser Vorstellung für einen winzigen Augenblick hingab, dann sah sie Petra wieder bei sich in der Küche, wo sie zusammen kochten, während die Jungs friedlich auf dem Boden spielten und Anthony drüben in seinem Atelier an den ersten Seiten eines neuen Buchs arbeitete, an dem auch Petra irgendwie mitwirken würde. Und dann tauchte Ralph auf – dieses glückliche Szenarium fand ohne Ausnahme freitags statt –, müde, aber zufrieden in seinem Büroanzug, und er nahm seine Familie übers Wochenende mit in ein Haus ganz in der Nähe, an dem Petra wie durch ein Wunder Gefallen gefunden hatte. Selbst während sie sich dieser Fantasie hingab, wusste Rachel, dass sie hoffnungslos unrealistisch war. Es war nicht nur unwahrscheinlich, sondern geradezu unmöglich. Aber auch wenn sie wusste, dass sie sich da etwas zusammenträumte, würde sie keine Ruhe finden, bevor sie Petra nicht gesehen und mit ihr geredet hatte.
    Petras Handy war in der letzten Zeit anscheinend ständig ausgeschaltet. Es gab keine Mailbox, und Kurznachrichten blieben unbeantwortet. Ralph, der sich auf seine Abreise nach London vorbereitete, wollte nicht über Petra reden, weder darüber, was sie machte, noch, wo sie sich aufhielt. Er versicherte seiner Mutter, dass er zurechtkäme, wenn – und wirklich nur wenn – man ihn sein Leben auf seine Art führen ließe. Er erkenne die Bemühungen seiner Eltern durchaus an – er sagte das ohne jede Spur von Anerkennung in der Stimme –, aber er könne das alles nur bewältigen, wenn man ihn in Ruhe ließe. Er meine, wirklich in Ruhe . Seine Handynummer sei nur für Notfälle, etwa, wenn etwas mit den Kindern wäre. Er verbat es sich, von Rachel angerufen zu werden, nur weil sie etwas Neues in Erfahrung bringen wolle oder Bestätigung brauche. Dafür habe er nicht die Energie, er habe nur genug Energie, um bei seinem neuen Job möglichst alles richtig zu machen und ihn nicht zu vermasseln. Kapiert, Mum, ist das klar?
    »Ja«, sagte Rachel hilflos am anderen Ende der Leitung. »Ja, ich wollte nur …«
    »Lass es«, sagte Ralph barsch. »Hör auf, etwas zu wollen. Dann ist es auch nicht schlimm, wenn du es nicht kriegst. Wie ich.«
    Und er hatte aufgelegt. Rachel war in den Garten hinausgegangen und hatte den alten Dick angeschrien, weil er die Zwiebeln in viel zu großen Bündeln aufgehängt hatte, und der alte Dick war aus dem Nebel seiner Blindheit und Taubheit aufgetaucht und hatte gesagt, wenn sie noch einmal so mit ihm reden würde, dann könne sie sich von ihm aus gerne allein um den Gemüsegarten kümmern.
    Sie hatte sich entschuldigt. Sie hatte sich bei Dick entschuldigt und davon abgesehen, Anthony von ihrem Telefongespräch mit Ralph zu erzählen und ihn zu beunruhigen, und sie hatte ihre Wut auf Petra in das bloße Verlangen nach einer Erklärung verwandelt. Als sie jetzt auf dem steinigen Strand saß und den Menschen zusah, wie sie über die knirschenden, glatten Kiesel zum Wasser spazierten, war sie recht zufrieden mit sich. Sie hatte nicht jedem Impuls nachgegeben und dann diejenigen bereut, die sie doch übermannt hatten. Darüber hinaus, fand sie, stand ihr eine Erklärung zu. Es war nie eine gewöhnliche Beziehung gewesen, die sie und Anthony mit Petra verband, es hatte sich nicht einfach auf die

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