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Schwimmen in der Nacht

Schwimmen in der Nacht

Titel: Schwimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Keener
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vor allem bei feuchtkaltem Wetter. Nahmen alle Mütter Tabletten?
    Endlich im Zentrum angekommen, fuhren wir einmal um den Block, vorbei an mehreren belegten Parkplätzen.
    Â«Ich lasse euch raus», sagte sie.
    Â«Und was machst du?», fragte Peter.
    Â«Ich suche einen Parkplatz. Los, steigt aus.»
    Â«Wir bleiben bei dir», sagte ich und beugte mich vor. Ich legte die Arme auf den Sitz vor mir.
    Â«Beeilt euch, los, geht. Ich möchte nicht, dass ihr den Anfang verpasst. Er ist tonangebend.»
    Sie setzte uns am Haupteingang ab, und wir sahen sie in Richtung der nahe gelegenen Symphony Hall davon fahren, wo Mutter während ihrer Zeit am College gespielt hatte. Ihre roten Bremslichter flackerten, als sie sich zwischen den anderen Autos einfädelte.
    Ihre Geige lag mittlerweile wie ein veraltetes Geschichtsbuch in einer kühlen Ecke ihres Schlafzimmerschranks. Einmal im Jahr nahm sie sie zur Hand und zupfte die Saiten, strich mit dem Finger über den Steg. Sie legte mir dann den Kinnhalter an, und einen Augenblick lang sah ich, wie sich ihre Gesichtszüge veränderten, wie sie weicher wurden, sich auf eine Welt öffneten, die jenseits ihrer jetzigen Welt lag, zu der auch ich gehörte. Sie half mir, den Bogen zu halten, und strich ihn mit meinem Arm vor und zurück über den Steg, und wir lauschten gemeinsam dem gehauchten, verträumten Klang der Saiten.
    Â«Sie sind ganz ausgetrocknet. Der Klang ist schrecklich.»
    Sie hörte auf zu streichen, und ihre Laune kippte wieder.
    Â«Du könntest neue kaufen.»
    Â«Wozu?»
    Wenn sie gefragt wurde, warum sie nicht mehr Geige spielte, sagte sie «Arthritis und Kinder» und lächelte kurzund angestrengt, als wären Kinder eine Art Gebrechen. Ich weiß, dass sie mir nicht weh tun wollte, wenn sie das sagte, aber es tat mir weh.
    ~~~~~~~~~~~
    Im Konservatorium bestaunte ich den Stuck an den Decken, Formen, die so groß waren, dass man sich hätte hineinlegen können, Kronleuchter, die so ausgeklügelt waren wie Bienenstöcke. Das Gebäude hatte sich einen Kern an Schönheit und Hoffnung bewahrt, es schien ein Ort zu sein, an dem man Hässlichkeit und Verzweiflung immer wieder entkommen konnte. Letztlich war es vielleicht sogar gut, dass Mutter uns hierher gebracht hatte.
    Als Peter und ich den kurvigen Gang zu einem kleinen Saal im hinteren Teil des Gebäudes entlangliefen, freute ich mich auch auf das Konzert. Peter humpelte, und sein Schritt klang im Flur wie der eines Einbeinigen – die gepolsterte Sohle seines Spezialschuhs war geräuschlos, während meine Absätze im Zweierrhythmus über den Boden klackten. Auf einem Poster an der Wand war Justine Janson abgebildet, die Haare nach hinten gebunden. Sie sah viel älter aus als einundzwanzig.
    Wir betraten den Konzertsaal, und sofort kam Mrs Janson auf uns zu, um sich uns vorzustellen. Ich schüttelte ihr die Hand. Sie war eine kleine Frau mit wuscheligen Haaren und breiten Hola-Hoop-Hüften.
    Â«Wie lieb von euch, dass ihr bei dem Wetter gekommen seid. Wo ist eure Mutter?»
    Â«Einen Parkplatz suchen.»
    Mrs Janson verzog das Gesicht, um Verständnis fürdie katastrophale Parkplatzsituation in Boston zu zeigen. Dann lächelte sie wieder. Wir nahmen unsere Plätze in einer der hintersten Reihen ein. Peter legte seine Armeejacke über Mutters leeren Sitz, um ihn für sie frei zu halten.
    Kurz darauf wurde das Licht gedämpft. Ein Mann in einem Smoking lief über die Bühne und setzte sich ans Klavier. Die Eingangstür zum Konzertsaal wurde geschlossen. Ich blickte mich unwillkürlich suchend nach Mutter um, die für einen heiß begehrten Parkplatz wahrscheinlich noch immer mit dem Wagen um das Gebäude kreiste. Ein Scheinwerfer erstrahlte, und Mrs Jansons Tochter Justine schwebte in lilafarbenem Chiffon auf die Bühne. Der Pianist fing mit einer Vokalimprovisation in mehreren Tonleitern an. Justine öffnete den Mund und begann auf Italienisch zu singen.
    Im Programmheft stand eine englische Übersetzung jeder Arie, also konnte ich mitlesen, als sie von Einsamkeit und Sehnsucht sang, von der Schönheit der Wälder und des Pfads, auf dem sie ging. Sie rundete ihre Lippen bei den hohen Tönen; sie trällerte von den Qualen in ihrer Brust und von verlorener Liebe.
    Â«Was nützt mir die wunderschöne Blume, die meinen Weg ziert, wenn ich sie mit keinem anderen teilen

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