Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwimmen in der Nacht

Schwimmen in der Nacht

Titel: Schwimmen in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Keener
Vom Netzwerk:
war es völlig dunkel im Zimmer.
    Â«Ich will auch eine», sagte ich und streckte die Hand nach einer Zigarette aus. Ich wollte rauchen, wie Mutter, mich in sie verwandeln.
    Peter schmiss mir ein noch ungeöffnetes Päckchen Zigaretten hin, und ich strich liebevoll darüber. So oft hatte ich ein Päckchen für Mutter geöffnet, wenn sie am Steuer saß.
    Â«Liebling, in meiner Handtasche ist ein ganz neues Päckchen. Kannst du das für mich rausholen? Das ist lieb von dir, danke.»
    Ich klappte den Pappdeckel auf. Mutter hatte meist extra schmale und lange Mentholzigaretten geraucht. Ich zog eine normale Zigarette ohne Filter aus dem Päckchen und steckte sie mir zwischen die Lippen. Tabakkrümel fielen mir auf die Zunge, schmeckten leicht wie Bittersalz.
    Â«Seit wann rauchst du?», fragte Peter.
    Â«Seit heute.»
    Ich sah zu, wie Peter einen Zug nahm und dann den Rauch durch die gespitzten Lippen blies. Ich versuchte, es genauso zu machen, und musste husten.
    Â«Mach keinen Lungenzug», sagte er.
    Ich versuchte es noch einmal, hielt die Zigarette so,wie Mutter es früher gemacht hatte; sie hatte sie immer zwischen zwei Fingern gehalten, als wäre sie ein Zauberstab, ein winziger Scheinwerfer, um die bessere Hand stolz vorzuzeigen. Als das Zigarettenende nur noch aus Asche bestand, ging ich ans Fenster, öffnete es und aschte in die nächtliche Winterluft. Ich lehnte mich hinaus und schaute nach unten. Auf Augenhöhe flitzte ein Eichhörnchen über einen Ast, zuckte zusammen und krächzte, huschte dann seine vertraute Route hinab zu den Rhododendren, die den Garten begrenzten. Die letzten Herbstblätter hingen noch an den Zweigen, steif und leblos. Die Kälte verwandelte meinen Atem in weißen Hauch.
    Als ich an der Zigarette zog, glühte die Asche rot wie brennende Blätter. Ich war zehn, als die Familien aus unserer Straße das letzte Mal zusammengekommen waren, um draußen Blätter zu verbrennen. Luftverschmutzung war damals noch kein Thema. Die Blätter auf Mrs Brenwalds Grundstück, die rund um das Auto herum lagen, wurden schwarz und nass, aber unser Laub wurde zu großen lockeren Haufen aufgetürmt, während Vater es auf die Straße schob, wobei die Harke über Asphalt und Erde kratzte, und das gesamte Laub aus unserem Vorgarten auf diesen kleinen Berg geschichtet wurde.
    Brannten die Laubhaufen erst einmal, spuckten und schossen sie widerspenstige Eicheln bis zu den Telefonmasten über unseren Köpfen hinauf. Erst danach durften die Kinder, auch die allerjüngsten, ihre Stöcke anzünden. Ich weiß noch, wie ich mir damals einen dünnen Zweig in den Mund gesteckt und beobachtet habe, wie das Ende glühte, so wie jetzt beim Rauchen. Peter war nichtdabei gewesen. Er hatte mit zwei Freunden eine Band gegründet und war zu einer Probe im Haus des Schlagzeugers gegangen.
    Den ganzen Nachmittag über stocherte ich mit Mickey Fineburg in dem schwelenden Nest herum. Langsam wandernde Nachmittagsschatten erstreckten sich immer weiter über die beiden Rasenflächen, bis wir zusammen mit den Bäumen und der Dunkelheit verschwanden und die Abenddämmerung allmählich zu einem einzigen Geflecht wurde. Ich tat so, als würde ich an meinem Zweig ziehen, und versuchte, den imaginären Rauch elegant auszustoßen, so wie Mutter – als wäre jeder Rauchfaden die Leine eines Drachens, die mich beim kleinsten Windhauch wegreißen könnte. Mickeys Mutter kam raus auf die Straße und sagte: «Seid vorsichtig, wenn ihr das macht, ihr zwei. Es ist Zeit, reinzukommen.» In ihrem langen Wollmantel stand sie da und schaute uns eine Weile zu, bevor sie wieder ins Haus ging.
    Mutter kam an diesem Tag nicht heraus. Sie sagte, sie möge die Kälte nicht. Als ich zu ihrem erleuchteten Fenster hochschaute, fragte ich mich, ob es irgendwas an uns oder an mir gab, das sie fernhielt.
    ~~~~~~~~~~~
    Â«Wie lange müssen wir hier bleiben?», fragte ich Peter. Ich stand immer noch aus dem Fenster gebeugt da und sah immer neue Scheinwerfer die Straße hochfahren und in meine Richtung leuchten.
    Â«Bis zum Ende der Woche. O Mann, das ist wie im Taubenschlag hier.»
    Â«Sie hat viele Leute gekannt», sagte ich und dachte dabei an die Truppe vom Country Club.
    Â«Ja. Aber haben die
sie
gekannt?»
    Er zündete sich eine weitere Zigarette an.
    Â«Mir ist schlecht, dir auch?», fragte ich.
    Er

Weitere Kostenlose Bücher