Schwimmen mit Elefanten - Roman
eine Dame zu Besuch war, um in der Werkstatt eine Partie Schach zu spielen, und obwohl alle sehr besorgt um ihren Gesundheitszustand waren, bestand sie darauf, als Zuschauer dabei sein zu dürfen.
Sie wurde huckepack von ihrem jüngeren Enkel nach unten getragen und auf ein Sofa gebettet, das ein Kunde zur Reparatur vorbeigebracht hatte. Da die Großmutter nicht wusste, in welcher Beziehung der Gast zu ihrem Enkel stand, verneigte sie sich wortlos, während sie verlegen auf ihrem Tuch herumknetete. Sie machte keine Anstalten, nach ihrem Enkel zu suchen. Sie brauchte ihn nicht direkt vor sich zu sehen, um zu wissen, dass er in ihrer Nähe war.
»Da das Mädchen mit der Taube heute Nacht nicht bei uns ist, werde ich es übernehmen, die Schachuhr zu bedienen und die geschlagenen Figuren vom Brett zu nehmen«, sagte die alte Dame.
»Nun, sind Sie bereit?«
Sie setzte die Lesebrille auf und gab das Startsignal.
Die Großeltern und der jüngere Bruder hielten den Atem an.
Die alte Dame eröffnete das Spiel, indem sie den weißen Bauern von e2 zwei Felder vorrückte. Der Kleine Aljechin, noch ganz ungelenk nach der langen Pause, hob seinen linken Arm bedächtiger als sonst, um seinen Bauern auf e6 zu setzen. In dem Augenblick, als seine Finger die Figur nahmen und sie sicher auf das anvisierte Feld stellten, ließ die Großmutter ihrer Bewunderung freien Lauf:
»Es ist nicht zu fassen! Die Puppe überlegt tatsächlich, wohin sie die Figuren setzen soll. Was für eine großartige Leistung!«
»Pst! Du musst leise sein, sonst können sich die Spieler nicht konzentrieren«, flüsterte ihr jüngerer Enkel.
»Aber ich bitte Sie! Wir beide gehören nicht zu der Sorte von Spielern, die sich von so etwas ablenken lassen«, sagte daraufhin die alte Dame.
Der Kleine Aljechin war glücklich, dass sie es war, gegen die er nach so langer Zeit wieder spielen durfte. Egal, wie die Partie ausgehen würde, mit ihr zusammen konnte er neue Abenteuer auf dem Meer des Schachs erleben. Denn ihr brachte er dasselbe Vertrauen entgegen wie einst seinem Meister.
Ohne dass die Veränderungen, die an ihm vorgenommen worden waren, ihn beeinträchtigten, fand der Kleine Aljechin sofort zu alter Stärke zurück. Er spielte, als wäre ihm körperlich nie etwas zugestoßen.
Im Innenraum der Puppe war alles beim Alten geblieben. Wie hatte der Junge diese Dunkelheit vermisst, die durch das Zusammenspiel der Zahnräder in Schwingung versetzt und immer dichter wurde, je weiter das Spiel voranschritt. Seine Finger waren sofort wieder mit der Handhabung des Hebels vertraut, während sein Gehör zuverlässig die Geräusche der Figuren deutete. Der bittere Nachgeschmack des Lebendschachs – das Tigergebrüll, das Rascheln der Gewänder und der moderige Geruch in der Abstellkammer –, all das war nun in weiter Ferne.
Le3 – Sf6
Sf3 – Sg4
Sbd2 – Sxe3
fxe3 – De7
De2 – f5
Die beiden Kontrahenten waren einander absolut ebenbürtig. Ihre drei Zuschauer hatten zwar keine Ahnung von den Regeln, verfolgten aber gebannt die Partie. Nur die regelmäßigen Hustenanfälle der Großmutter unterbrachen die andächtige Stille in der Werkstatt. Wenn ein Läufer diagonal über das ganze Spielfeld huschte, wenn ein Springer wie ein launischer Satyr herumtanzte, waren die drei begeistert, wobei es egal war, ob der Kleine Aljechin oder die alte Dame gezogen hatte.
Bei seinem zwölften Zug spielte der Kleine Aljechin c6. Seine Großmutter, die gespannt darauf wartete, was als Nächstes passieren würde, schaute mit großen Augen zu, wie der Bauer nur ein Feld vorrückte, und seufzte vor Aufregung. Ihr Enkel bereitete den Rückzug seiner Lieblingsfigur vor. Der Läufer sollte von d6 auf c7, um die Diagonale unter Kontrolle zu halten.
Sb3 – 0-0
Tae1 – Sf7
Dc2 – Sg5
Sxg5 – Dxg5
Da der Kleine Aljechin bereits in der Eröffnungsphase der Partie seinen Springer gegen ihren Läufer eingetauscht hatte, besaß er noch beide Läufer. Die alte Dame hatte ihrerseits noch beide Türme, die sie nun beherzt zum Einsatz brachte. Beim siebzehnten Zug spielte sie Tf3.
In diesem Moment merkte der Kleine Aljechin, dass sich in der Dunkelheit um ihn herum die Schwingungen veränderten. Seine Hand ließ erschrocken den Hebel los, als er vor seinem inneren Auge den Turm auf f3 vorrücken sah. Die Zuschauer verfolgten gebannt, wie der linke Arm des Kleinen Aljechin plötzlich in seiner Bewegung erstarrte.
Nach dem Klacken des Turms vernahm der Junge kein einziges
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