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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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wir?«
    »Und dein Fuß?«, fragte ich.
    »Weg!«
    »Wie weg?« Ich lachte. »Ganz weg?«
    »Der Schmerz ist weg, du schlaue Maus!« Er klatschte in die Hände, beeilte sich, jetzt doch wieder etwas hinkend, die Türen
     abzuschließen, und winkte mir, aufs Motorrad zu steigen.
    Los ging’s, die Zufahrt zur Landstraße hinauf und dann in gehörigem Tempo hinab nach Munkelbach. Auch der Ort kam mir ansprechender
     vor als gestern Abend. Wir ließen den neuen, trostlosen Bahnhofplatz links liegen und parkten direkt im alten Ortskern, wo
     gerade der Wochenmarkt stattfand. Julian kaufte eine Tüte Weintrauben, spendierte mir eine teure Schreibkladde mit besonders
     schönem Papier und ließ es sich außerdem nicht nehmen, mir in einem Schmuckladen ein Armband auszusuchen. Dann setzten wir
     uns an den sprudelnden Brunnen, betrachteten die bunten Fassaden der Fachwerkhäuser und fütterten uns gegenseitig mit den
     süßen Trauben.
    »Fehlt nur noch, dass ich anfange, Postkarten zu schreiben.«
    Julian grinste übers ganze Gesicht. »Können wir im Café tun, du kriegst eh ein großes Eis von mir.«
    »Okay, aber das bezahle ich jetzt.«
    »Warum?«
    »Eben darum, du hast mir schon so viel ausgegeben.« Ich stand auf. Dass Julian mit Geld nur so um sich werfen konnte, gönnte
     ich ihm ja, aber manchmal kam ich mir einfach nur arm vor mit meinem normalen Taschengeld und einem Vater, der Mechaniker
     im Autohaus war, statt im Management eines großen Stromversorgers zu arbeiten.
    »Na gut.« Julian nahm meine Hand. Er hatte noch eine Weintraube in seiner, und als wir uns berührten, zerplatzte sie.
    »Ey, was machst du denn?«
    »Marmelade! Wolltest du keine?« Er lachte, führte meine Hand an seinen Mund und leckte den Traubenmatsch ab.
    »Du bist blöd«, sagte ich, von Glücksgefühlen durchströmt: wegen seiner netten, natürlichen Art, wegen des süßen Ausdrucks
     in seinen Augen, wegen seiner Zungenspitze, die mein Handgelenk kitzelte, wegen der Lust, die ich auf ihn hatte – jetzt wäre
     ich am liebsten sofort in die Mühle gefahren und Hals über Kopf mit ihm ins Bett gefallen.
    Vielleicht wäre uns das besser bekommen. Aber wir wollten ja vorher unbedingt ein Eis.

11
    La Perla
lag zentral und sonnig. Wir bestellten zweimal Latte macchiato und eine Coppa d’Amore für zwei. Als Julian zur Toilette ging,
     griff ich mir den
Munkelbacher Anzeiger
, den jemand auf dem Nachbartischchen liegengelassen hatte. Der Bericht mit dem farbigen Foto eines Mädchens war der Aufmacher des Tages und daher nicht zu übersehen.
    Vermisst: Alina, 18.
    Bereits seit dem späten Dienstagabend, dem 2.   Oktober, wird die 1 8-jährige Munkelbacherin Alina W. vermisst. Die Abiturientin hatte mit ihren Freunden ein Fest der Neuen Oberschule besucht, sich dort
     eine Weile aufgehalten, dann aber von den Freunden unbemerkt die Aula verlassen. Ob sie allein nach Hause wollte oder in Begleitung
     unterwegs war, ist nicht bekannt. Die Eltern bemerkten erst am frühen Mittwochabend, dass ihre Tochter, die den ausgebauten
     Dachboden bewohnt und als sehr selbstständig beschrieben wird, nicht zu Hause war. Zunächst vermuteten sie noch, Alina sei
     schon wieder aufgebrochen, um zu Freunden zu fahren. Als sie aber die zweite Nacht ausblieb, verständigten sie die Polizei.
     Diese sucht nun mithilfe des
Munkelbacher Anzeigers
nach der Gymnasiastin und fragt die Leser: Wer hat Alina am Dienstagabend oder später   …
    »Oh, du liest das Käseblatt? Was gibt’s denn so Interessantes? Du bist ja ganz vertieft.«
    »Dieses Mädchen   …« Ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach, und ließ mich im Stuhl zurückfallen. »Ich hab gestern Abend ein Gespräch von
     zwei Frauen gehört«, sagte ich zu Julian. »Ich wusste, dass ein Mädchen vermisst wurde und was das unter Umständen bedeutet.
     Trotzdem bin ich allein durch den dunklen Wald gegangen.« Diese Erkenntnis ließ mein Herz schneller schlagen. »Es kommt mir vor, als hätte ich das Schicksal herausgefordert, eine wichtige Warnung missachtet.«
    Julian sah mich besorgt an. »Evchen, beruhig dich! Dir ist doch nichts passiert.«
    »Trotzdem!« Ich schnappte nach Luft. Wie sollte ich Julian erklären, dass ich Angst hatte, obwohl es jetzt, am Tischchen vor
     der Eisdiele, wirklich keinen Anlass dafür gab?
    »Evchen, was hast du denn?«
    Ich konnte hier nicht offen mit ihm über meine Angstanfälle reden, dafür brauchte ich mehr Ruhe. Also nahm ich einen Schluck
     von meinem Kaffee,

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