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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Zuckertüte!«
    Ich öffnete die Augen. Julian hatte ein Frühstückstablett vorbereitet.
    »Morgen! Das sieht ja lecker aus, das ist aber lieb!«
    »Ich dachte, ein Frühstück im Bett wäre genau das Richtige.«
    »Ja! Du hast sogar einen kleinen Blumenstrauß besorgt!«
    »Selbstverständlich. Die drei Rosen sind von der Schuppenwand und die dicken orangefarbenen hab ich aus Vollmers Blumenbeet
     stibitzt. Gott sei Dank hat mich der Alte nicht gesehen. Dann hätte er gleich wieder losgemeckert: ›Meinst du, die hab ich
     für dich angepflanzt? Du kriegst doch wohl genug Taschengeld! Das sag ich deinem Vater, der soll dir mal Manieren beibringen,
     sonst gibt’s Mieterhöhung!‹« Julian fuchtelte mit hocherhobenem Zeigefinger vor meinem Gesicht herum und machte ein solches
     Spektakel, dass ich lachen musste. Im nächsten Moment lagen wir uns in den Armen und küssten uns erleichtert. Was ein paar
     Stunden Schlaf und ein bisschen Sonnenlicht doch ausrichten: Auf einmal schien die Welt wieder in Ordnung!
    Julian kroch unter seine Decke und platzierte dasFrühstückstablett auf unseren Knien. Während wir aßen, näherten wir uns kichernd aneinander an: Ich küsste ihm Brötchenkrümel
     aus dem Mundwinkel, er flocht mir eine Blume in die Haare und bestand darauf, die dabei abfallenden Blütenblätter eigenhändig
     aus meinem Ausschnitt zu angeln. Über den gestrigen Abend sprachen wir nicht mehr, machten stattdessen Pläne für den Tag.
     Julian wollte mir die Umgebung zeigen: den Ort, die Sehenswürdigkeiten, den Fluss. Vielleicht würde ich am Abend auch seine
     Freunde kennenlernen; da er von klein auf seine Ferien und fast jedes Wochenende hier verbracht hatte, war Munkelbach für
     ihn die zweite Heimat.
    »Du wirst sehen, es ist traumhaft hier. Von jetzt an wird dir der Urlaub gefallen.« Julian stellte die Reste des Frühstücks
     auf den Boden und kroch zu mir, sodass wir uns seitlich gegenüberlagen. »Und damit alles perfekt ist, Evchen, kaufe ich dir
     gleich im Schreibwarenladen ein neues Tagebuch.«
    »Ach, nicht so wichtig«, murmelte ich verlegen. Das Geschrei, das ich deswegen gemacht hatte, erschien mir jetzt lächerlich
     und überzogen.
    »Doch, doch«, beharrte er, »ich will den Ärger wieder gutmachen. Mein Fuß ist nämlich mittlerweile wieder ganz okay, deshalb
     mach ich mir Vorwürfe, dich nicht abgeholt zu haben. Da war ich einfach zu wehleidig, während du ganz stark und klasse warst.«
    Ich wurde rot. »Jetzt hör auf!«
    »Stimmt aber doch!« Er rutschte heran und küsste mich lange und intensiv. Für einen Moment dachte ich, dass
es
jetzt passieren würde, das berühmte erste Mal,und dass es mir trotz allem noch zu schnell ginge, trotz der sechs Wochen, die Julian und ich offiziell »zusammen« waren,
     trotz des gestrigen Abends, an dem nichts passiert war, trotz meiner Lust und Vorfreude und der Tatsache, dass ich glücklich
     war, weil zwischen uns nun alles wieder so gut lief wie zuvor. Das lief es wirklich, denn Julian, der einfach der perfekte
     Freund für mich zu sein schien, bemerkte mein Zögern und sagte: »Jetzt machen wir erst mal eine Kissenschlacht, der Verlierer
     muss in Munkelbach ein Eis ausgeben!«
    Wir gewannen beide, tobten durch das Bett, jagten uns die Treppe hinunter, auf die Terrasse hinaus und wieder hinauf, über
     das Bett und ins Bad hinein.
    Eine halbe Stunde später trat ich fröhlich auf die Hofterrasse, wo Julian neben seinem Motorrad wartete. Das Mühlenanwesen
     machte nun einen viel freundlicheren Eindruck. Ich sah mit Überraschung, wie kreativ der mürrische Vermieter seinen Bereich
     des Hauses gestaltet hatte: die Fensterrahmen waren abwechselnd blau, gelb und rot gestrichen, selbst gemachte Stein- und
     Holzskulpturen standen überall, eine träge Katze sonnte sich auf dem Terrassentisch und im Dickicht des wilden Weins, der
     an den Hauswänden hinaufrankte, waren gleich drei Meisennistkästen zu erkennen. Da konnte man mal sehen, wie durcheinander
     ich letzte Nacht gewesen war! Nur weil es dunkel war und Julian gesagt hatte, er könne ihn nicht leiden, hatte ich eine Heidenangst
     vor dem Mann bekommen, der in diesem lustigen Haus wohnte. Typisch! Ich ließ mich immer zu sehr von der subjektiven Meinung
     anderer beeinflussen und warin Stresssituationen nicht in der Lage, Dinge realistisch einzuschätzen.
    »Du siehst toll aus!« Julian ergriff meine Hände und drehte uns mehrmals im Kreis, als wolle er mit mir tanzen. »Fahren

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