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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Widmen wir uns unserm Eis!«
    Oder dem, was davon noch übrig ist, dachte ich, sprach es aber nicht aus. Dustin und Mickey waren wie ein Sturm über uns hereingebrochen.
    Da mir der Appetit ziemlich vergangen war, verzog ich mich erst mal zur Toilette. Im Damenklo vorm Waschbecken stehend und
     mein Gesicht mit kaltem Wasser bespritzend, hatte ich meine Ruhe und konnte ein bisschen Abstand gewinnen, Kräfte sammeln,
     nachdenken.
    Es wäre schon ein großer Zufall, wenn ich die Jungs aus dem Wald gleich am nächsten Morgen wiedersähe. Hätte Julian gerade
     nicht so merkwürdig reagiert, würde ich meine Ahnung daher gar nicht ernst nehmen. So aber spürte ich, dass mir – wie ungeschickt
     es auch sein mochte – nichts anderes übrig blieb, als mit ihm über meinen Verdacht zu reden.
    Dieses Gefühl kannte ich aus meinen Therapiestunden: Wie oft hatte ich versucht, vor dem Fuchs unangenehmeGedanken zu verheimlichen, und gleichzeitig gewusst, dass ich sie letzten Endes aussprechen würde. Meistens war es dann gar
     nicht so schlimm – und es musste doch auch problemlos möglich sein, meinen Freund auf Dustin und Mickey anzusprechen.
    Als ich zum Tisch zurückkehrte, hatte Julian tapfer seine Hälfte vom Eis verdrückt. »Geht’s dir besser?«, fragte er.
    »Ja.« Ich setzte mich zu ihm. Dann nahm ich meinen Mut zusammen, stellte ihm die Frage, die mir auf den Nägeln brannte: »Warum
     wolltest du nicht, dass ich ihnen von dem Vorfall im Wald erzähle?«
    »Ach, Evchen!« Julian wischte sich Schokostreusel von der Oberlippe. »Munkelbach ist ein Dorf! Hier kennt jeder jeden. So
     was spricht sich schnell rum und ich möchte einfach nicht, dass alle Welt davon weiß.«
    Skeptisch zog ich die Augenbrauen hoch. Ob das der einzige Grund war?
    Julian zuckte harmlos mit den Schultern. »Ich wollte dich beschützen, deshalb habe ich gesagt, du sollst telefonieren gehen
     – was du übrigens immer noch nicht getan hast.«
    »Mach ich gleich noch.« Unsere Blicke trafen sich. Dass er mich beschützen wollte, fand ich schön.
    Er merkte es, ergriff meine Hand und streichelte sie. »Mach dir keine Sorgen! Red nur einfach nicht mehr so viel darüber,
     ja?«
    »Deine beiden Freunde   …«, begann ich, wurde aber von ihm unterbrochen.
    »Über die mach dir bitte auch keine Gedanken! Diesind ein bisschen gewöhnungsbedürftig, ein bisschen ruppig und so, aber total in Ordnung.«
    »Das glaube ich dir ja, aber irgendwie haben sie mich an die Typen aus dem Wald erinnert!«
    Julian biss sich auf die Lippe. »Dustin und Mickey?«, fragte er überflüssigerweise. »Die schlagen niemanden einfach so zusammen.
     So gut müsstest du mich mittlerweile kennen, dass ich mich nicht mit irgendwelchen gewalttätigen Typen einlasse.«
    Ich schwieg. Ich kannte Julian als jemanden, der selbstbewusst auftrat, der sich zu wehren wusste, der entschieden seine Meinung
     vertrat und sich nicht die Waffeln vom Eis klauen ließ. Jetzt sah ich einen verunsicherten Jungen, der sich keineswegs wohl
     in seiner Haut zu fühlen schien.
    »Du willst es ihnen nicht zutrauen, aber irgendwo traust du’s ihnen doch zu«, sagte ich kühn und kam mir vor wie der Fuchs,
     wenn er mich mal wieder mit einer Wahrheit konfrontierte, die ich mir nicht eingestehen wollte.
    Julian wand sich, legte den Eislöffel weg und sagte ausweichend: »Du bist dir doch selbst unsicher bei dem, was du gestern
     Abend beobachtet hast. Es war dunkel. Zumindest wohl so dunkel, dass die dich nicht gesehen haben. Wie kannst du dann behaupten,
     sie wiederzuerkennen?«
    Zuerst wollte ich entgegnen, dass ich das ja auch gar nicht behauptet hatte, aber dann dachte ich, es wäre besser, nicht allzu
     wortklauberisch zu werden, um uns nicht wieder die Stimmung zu verderben.
    »Vergessen wir’s erst mal«, sagte ich daher.
    Julian schien ein Stein vom Herzen zu fallen. »Ja! Bitte!«, rief er sofort, rutschte zu mir heran und schmiegte sich an mich.
     »Lass uns jetzt einfach nur noch Urlaub machen, ja?«
    »Versuchen wir’s.«
    »Kuss drauf!«
    Wir besiegelten die Abmachung. Julian lächelte froh, doch bei mir blieb ein schaler Nachgeschmack zurück. Was, wenn nicht
     ich mich in Bezug auf Dustin und Mickey täuschte, sondern wenn Julian mir etwas verheimlichte?
     
    Die Mühle und der Bach waren jetzt schon ein vertrauter Anblick. Natürlich hatte es rein gar nichts von »Nach-Hause-Kommen«,
     aber als Julian das Motorrad parkte, hatte ich wieder ein einigermaßen entkrampftes

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