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Schwindel

Titel: Schwindel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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hatten,
     war das auch für Julian äußerst unangenehm. Selbst wenn er mit dem Konflikt nichts zu tun haben sollte, würde er in Bernd
     Vollmers Sympathie dadurch sicher nicht steigen. Die Frage war allerdings, ob er wirklich nichts mit der Auseinandersetzung
     zu tun hatte. Julian hatte Mirko nicht verprügelt, das wusste ich sicher. Zu dem fraglichen Zeitpunkt hatte er sich auf der
     hell erleuchteten Terrasse von seiner äußerst zweifelhaften Fußverletzung erholt, die er sich bei einer Dachreparatur zugezogen
     hatte, von der Bernd allerdings behauptete, Julian habe sie nicht ausgeführt. Konnte es sein, dass Julian sich die Fußgeschichte
     nurausgedacht hatte, damit er vor Bernd ein Alibi hatte? Wenn Bernd wusste, dass Julian in dem Moment, als die Clique über seinen
     Sohn hergefallen war, verletzt zu Hause saß, konnte er ihm konkret nichts anhaben und seinen Eltern nicht womöglich das Apartment
     kündigen. Das hieße aber, dass Julian mich schlicht deshalb nicht vom Bahnhof abgeholt hätte, weil er wusste, dass seine vier
     Freunde planten, über Mirko herzufallen.
    Das war ein ungeheuerlicher Gedanke.
    Julian öffnete den Mund. Gleich würde er widersprechen, eine Erklärung vorbringen. Und ich würde belämmert dastehen, eine
     Überängstliche mit viel zu viel Fantasie, die ihrem eigenen Freund nicht traute, weil sie kaum in der Lage war, sich auf andere
     Menschen einzulassen, und das erst in einer Therapie lernen musste.
    Er sagte: »Bitte, versteh mich doch, Evchen. Mir sind meine Freunde hier wichtig, und egal, was du jetzt von ihnen denkst:
     So schlimm sind sie nicht.«
    Ich schnappte nach Luft wie ein Schwimmer, der eine lange Strecke getaucht ist. Das war eine ziemlich dünne Erklärung, oder?
    »Ich hab gestern im Wald gesehen, wie deine Freunde sind«, sagte ich zaghaft.
    Julian schüttelte wild den Kopf. »Es war doch dunkel, oder?«
    Auf einmal sah ich den Fuchs vor mir, wie er sich entrüstet mit der flachen Hand aufs Knie schlug. »Du darfst dir aber auch
     nicht alles gefallen lassen! Wehr dich mal! Wirf mal was kaputt, lass deine Wut raus!« Diese Erinnerung wirkte wie ein Energieschub.
    »Halt mich nicht für blöd!«, schrie ich Julian plötzlichan und spürte, wie mir mit Wucht die Tränen in die Augen schossen. Gleichzeitig war ich stark wie lange nicht mehr. »Ich hab
     das Gefühl, dass du mehr weißt, als du mir sagst, und das finde ich ziemlich daneben! Vor allem nach dem, was heute Mittag
     passiert ist. Ich komme mir verarscht vor. Ich glaub, ich fahr wirklich nach Hause.«
    Einen solchen Ausbruch hatte Julian nicht von mir erwartet. Der Schreck stand ihm ins Gesicht geschrieben, er brachte kein
     Wort heraus. Ich warf entschlossen einen Blick auf meine Armbanduhr. Zwanzig vor fünf. Noch hell genug, um den Rucksack zu
     packen und durch den Wald zum Bahnhof zu laufen. Oder ich würde mir diesmal doch ein Taxi rufen, Urlaubsgeld brauchte ich
     ja nicht mehr.
    »Nein«, bat Julian da. »Warte! Fahr nicht! Du hast recht. Ich habe dir wirklich nicht alles gesagt. Mirko und meine Freunde
     verstehen sich nicht. Das war schon immer so, und ich als jemand, der mit Mirko unter einem Dach wohnt, stehe dauernd zwischen
     den Fronten, auch wenn ich gar nichts mache. Wenn meine Freunde ihm gestern eins auf die Nase gegeben haben, dann heißt das
     aber nicht, dass sie brutal sind und so was grundlos tun. Das musst du mir glauben, bitte! Ja, ich hab mich manchmal dir gegenüber
     auch doof benommen, aber nur, weil ich keinen Ärger wollte! Ich hatte mich so aufs Wochenende gefreut, hatte alles so schön
     geplant. Ich hab einfach einen Fehler gemacht und   …«
    »Was für einen Fehler?«, fragte ich, bekam aber keine direkte Antwort, denn Julian kämpfte nun selbst mitden Tränen, rutschte vom Sessel herunter, kroch zu mir herüber und umklammerte meine Knie.
    »Einen Fehler, viele Fehler! Dich ausgerechnet hierhin einzuladen. Dich nicht abzuholen. Dir nichts von Mirko und meiner Clique
     zu sagen. Ich war so feige! Dabei bist du der erste ernsthafte und ehrliche Mensch, den ich kenne. Meine Freunde hier, die
     sind locker und man kann viel Spaß mit ihnen haben, übermütig sein, aber mit dir   … da weiß ich, dass die Gefühle echt sind. Ich spüre, dass du ängstlich bist und es dir manchmal nicht gut geht, daher wollte
     ich nicht, dass du Stress hast. Ich wollte, dass du’s hier einfach nur genießt, wollte dich aus den Streitereien raushalten.
     Weil ich dich liebe, Eva!

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