Schwindelfreie Luegen
»Ist Godard verdächtig?«, frage ich und gebe mich erschrocken.
»Es gibt einen begründeten Verdacht, dass er etwas mit dem Juwelenraub zu tun hat.«
»Dann sind Sie hinter dem Falschen her, Inspecteur. Ich habe mit Monsieur Godard die Nacht verbracht. Die ganze Nacht. Daher wäre es für ihn unmöglich gewesen, den Raub zu begehen. Ich habe bis zum Morgengrauen kein Auge zugetan«, lächele ich und ziehe eine Augenbraue leicht hoch. »Wenn Sie wissen, was ich meine.«
Überrascht schaut Chevalier Nicolai an, der nur mit den Schultern zuckt.
»Sagt Ihnen der Name Alexej Kowaljow etwas?«, fragt Chevalier.
Ich überlege einen Augenblick, schaue dabei Nicolai nicht an. »Ja, es gab einen Russen auf dieser Ausstellung mit diesem Namen. Monsieur Godard kannte ihn und hat uns kurz vorgestellt. Kein besonders netter Mensch.«
Chevalier blickt von seinem Notizbuch auf. »Warum sagen Sie das?«
Ich hebe die Schultern. »Nun, ich fand ihn ausgesprochen unangenehm. Er hatte so einen stechenden Blick.«
»Hat er gesagt, was er auf der Ausstellung wollte?«
»Er hat sich als Juwelenhändler vorgestellt und wollte einen Kunden treffen. Das ist alles, was ich über ihn weiß.«
Nicolai schiebt ein Bild über den Tisch. »Ist das der Mann?«
Ich nicke. »Ja, das ist er. Sind wir dann hier fertig?«, frage ich. »Ich reise heute ab. Sie haben ja meine Düsseldorfer Adresse, wenn es noch etwas gibt.«
Ich erhebe mich und die beiden Männer ebenfalls.
»Gut, Madame, wir sind hier fertig. Falls wir noch Fragen haben, werden Sie von uns hören.«
Ich nicke erleichtert. »Mir wäre lieber, wenn nicht.«
Der Schaffner des TGV weist mir einen Platz in der 1. Klasse zu und wünscht mir eine gute Reise. Fünf Stunden dauert die Fahrt nach Paris, mein nächstes Ziel.
Kaum hat der Zug sich in Bewegung gesetzt, erscheint der Schaffner erneut, scannt meine Fahrkarte und reicht sie mir zusammen mit einem weißen Umschlag zurück.
»Für Sie, Madame.« Er tippt sich an die Mütze und macht auf dem Absatz kehrt.
»Merci«, rufe ich ihm nach.
Kommen Sie in den Speisewagen , steht dort in Blockschrift, ohne Unterschrift, doch die ist auch nicht nötig, denn ich weiß, von wem die Karte kommt.
Ich schnappe mir meine Umhängetasche und schlage den Weg zum Speisewagen ein. Als ich ihn betrete, sehe ich Alexej allein am Tisch sitzen. Ohne zu zögern, trete ich auf ihn zu.
»Hier ist doch noch frei ?«, frage ich und warte die Antwort erst gar nicht ab.
»So sieht man sich wieder, Mademoiselle Komarow.«
»Alexej, bitte ... für Sie doch gerne Sylvie.« Ich lächele nicht.
»Wo haben Sie unseren gemeinsamen Freund Jean gelassen?« Alexej mustert mich und scheint mich mit seinen Blicken ausziehen zu wollen. Selten bin ich solch einem unangenehmen Mann begegnet.
»Ich glaube , Monsieur Godard spielt in unser beider Leben nur eine Nebenrolle.«
Der Kellner kommt, um meine Bestellung aufzunehmen.
»Einen Wodka bitte, doppelt«, bestelle ich und Kowaljow ergänzt: »Machen Sie zwei daraus.«
Der Kellner nickt und ist schon wieder verschwunden.
»Sylvie, ich wusste gleich, dass mehr hinter Ihrer hübschen Fassade steckt, als Sie zuzugeben bereit waren. Wie ich sehe, hat Jean es geschafft, seinen Ring an Ihren Finger zu stecken. Ich kann nur hoffen, dass Sie ihm nicht wirklich seine rührende Geschichte von ewiger Liebe abgenommen haben.«
»Lassen wir das Gerede von Jean, kommen wir zum Geschäftlichen. Warum haben Sie mich hierher bestellt?«
»Sie haben etwas in Ihrem Besitz, was mein Auftraggeber gerne hätte.«
Der Kellner bringt die beiden Wodkagläser und Alexej bezahlt großzügig.
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Alexej.«
»Bitte , Sylvie, lassen Sie uns keine Spielchen spielen. Sie haben die Juwelen, daran besteht kein Zweifel.« Seine Stimme ist gedämpft, er schaut sich um, ob uns auch niemand belauschen kann.
»Ich übergebe die Ware nur an Ihren Auftraggeber. Seine Provision werde ich mir nicht entgehen lassen.«
Alexej schüttelt den Kopf. »Das wird nicht möglich sein. Die Ware muss mir übergeben werden, so lautet mein Auftrag.«
»Dann ändert sich der Auftrag gerade.«
»Dazu bin ich nicht befugt«, gibt Alexej zu.
»Aber ich bin es!«
Die Stimme lässt meinen Blick von Alexej auf den Mann schnellen, der an unseren Tisch getreten ist.
»Jean?« Gerade kann ich mich noch zusammenreißen und seinen Decknamen aussprechen. Dennoch, ich bin irritiert. Nicolai und ich hatten besprochen,
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