Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
ehrlich erklärte, als ich sagte, ich sei Spekulantin. Er hatte rot geränderte Augen. Dünne, fettige Haarsträhnen zogen sich über seine Glatze, und er trug stets braun karierte Filzpantoffeln. Doch er liebte die Bücher und das Kabuff, in dem er sie aufgestellt hatte. Er fing ernsthaft an zu weinen, als ich sagte, er könne in dem Laden sitzen und so viel oder wenig verkaufen, wie er wolle. Er dürfe nur nicht damit rechnen, besonders gut bezahlt zu werden. Aber er habe ja seine Rente.
Ich glaube, er schlief in dem Laden, denn er hatte im Hinterzimmer ein schmales Bett stehen. Ich mischte mich da nicht ein. Es roch oft nach Essen, wenn ich kam. Er hatte eine Kochplatte, und es gab einen kleinen Ausguss. Ich glaube nicht, dass er noch eine andere Adresse als die des Antiquariats hatte. Aber es war nicht meine Sache, falls die Behörden ihm nachspürten wie einem Fuchs zu seinem Bau. Im Übrigen konnte es interessant sein zu sehen, wie so was ging. Ich für meine Person zählte ja nun nicht mehr zu den Landstreicherinnen.
Zum Inventar, das ich beim Kauf übernahm, gehörte ein grün gestrichener Tresor mit Ornamenten in Gold. Er war wie ein alter eiserner Herd verziert. Apelgren hatte mir ein Kuvert gegeben mit einem Zettel, auf dem die Zahlenkombination des Schlosses notiert war. Ich versiegelte das Kuvert mit Siegellack und einem Petschaftring, den ich in einem Laden in der Jakobsbergsgatan gekauft hatte. Den Ring warf ich anschließend in einen Gully, damit Lillemor ihn nicht zufällig bei mir finden würde. Ich sagte, dass ich den Tresor gebraucht gekauft habe, damit sie ihre Tagebücher darin verwahren könne. Nachdem ich ihr das Kuvert gegeben hatte, war sie überzeugt davon, dass einzig sie allein Zugang zu ihrer Vergangenheit habe. Lillemor ist in gewisser Hinsicht eine ehrliche Seele.
Seit ich den Ablehnungsbrief des Verlegers gefunden hatte, las ich natürlich ihre Post. Es war nicht sonderlich schwierig, an sie heranzukommen. Mit den Tagebüchern war es eine andere Geschichte. Ich bot ihr an, sie bei mir zu verwahren, damit keine neugierige Putzhilfe reinschauen könne. Oder Sune, aber das sagte ich nicht. Schließlich bestand die große Gefahr, dass sie die von Lillemor so genannte Wahrheit über uns enthielten.
Wenn sie kam, um ein vollgeschriebenes Buch mit schwarzem Wachstucheinband in den Tresor zu legen, setzte sie sich normalerweise in Viktor Rydbergs Sessel und las in einigen Bänden. Sie hatte immer eine Tüte mit Schoko-Erdnüssen, Schaumbananen, Geleehimbeeren und Lakritzkonfekt dabei. Da ich den Inhalt der Tagebücher ja kannte, verstand ich, dass sie Trost brauchte. Aber warum las sie das? Und warum musste sie ihre Schwulitäten alle aufschreiben?
Apelgren hatte seine Wohnung über dem Laden kündigen müssen und daraus so einiges angeschleppt, was er nicht ausrangieren wollte. Unter anderem einen Ohrensessel, der mit einem dicken und ripsartigen braunroten Stoff mit orientalischem Blumemuster bezogen war. Er war arg zerschlissen, doch saß man bequem darin. Es gefiel mir zunehmend, mich bei meinen Besuchen in diesen Sessel zu setzen und zu lesen. Hingegen wollte ich nicht, dass die Leute darin Platz nahmen und sich ewig im Laden aufhielten. Deshalb befestigte ich ein Seil daran, eigentlich eine alte Bademantelkordel, die ich über den Sitz spannen und einhaken konnte, wenn die Ladenglocke bimmelte und ich aufstehen musste. An eine der Armlehnen hatte ich eine Karte geheftet, auf der VIKTOR RYDBERGS LESESESSEL stand. Bei den meisten rief dies Verwunderung hervor, und bei denen, die wussten, wer Rydberg war, Ehrfurcht. Manchmal garnierte ich das Ganze ein bisschen und sagte, er habe darin Abenteuer des kleinen Vigg am Heiligabend geschrieben.
Die Sache begann mir Spaß zu machen. Apelgren störte mich nicht. Ich hatte mir in der Birkagatan eine Zweizimmerwohnung gekauft, wo ich mit Lasse wohnte, der im Winter in Stockholm klempnerte. Dort schrieb ich. Es war aber auch nicht schlecht, in die Vegagatan zu gehen und zwischen den Büchern zu sein. Ich wollte nicht, dass Lillemor zu mir nach Hause kam, wenn Lasse da war. Unsere Manuskripte gingen wir anfangs in dem Haus in Sollentuna durch, das sie und Sune gekauft hatten.
Nie habe ich mich so auf jemanden verlassen wie auf Lasse. Wir hatten nicht viel über das gesprochen, was ich ihm über Lillemor und mich anvertraut hatte. Aber nicht nur, dass ich mich auf ihn verließ. Ich wollte auch vollkommen ehrlich zu ihm sein. Zu niemandem sonst.
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