Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
geschickte Strickerin, und die Mütze war zu groß geraten und reichte mir bis zu den Augenbrauen. Dadurch bildete sie aber einen hervorragenden Schutz gegen Zugluft. Sie passte mir ausgezeichnet, und deshalb warf ich den Turban, der mir der Damenmode der Vierzigerjahre entsprungen zu sein schien, in die Ecke. Doch dann kaufte ich bei Buttericks einen Totenschädel aus beinweißem Plastik, setzte ihm den Turban auf und stellte ihn ins Schaufenster. Es vergingen drei Wochen, bis Lillemor kam und ihn entdeckte. Fuchsteufelswild stürmte sie in den Laden und riss den Schädel samt Turban aus dem Schaufenster. Sie stopfte beides in eine Plastiktüte und verschwand. Als sie wiederkam, wollte sie partout nicht sagen, wohin sie ihn geworfen hatte.
Wenn Lillemor auf Reisen war, ging ich mit Polly im Tegnérlunden und auf dem Observatoriekullen spazieren. Sie interessierte sich auf den verpinkelten Rasenflächen für alles Mögliche, nur nicht für leere Zigarettenschachteln. Ich hatte jedoch angefangen, sie einzusammeln. Ich las auch die Warnhinweise auf den achtlos hingeschmissenen Weinflaschen unter den Bäumen. Nach einer Weile begann ich auch noch die Texte von Weinannoncen in Zeitungen zu sammeln. Mir war die Idee gekommen, dass ich mit meinem tollen Kopierer Zettel anfertigen könnte mit Texten, die meiner Tätigkeit angepasst waren. Zum Beispiel:
Literatur
schädigt das Gehirn
und vermindert
die Fruchtbarkeit.
So einen Zettel klebte ich hinten in jedes Buch, das ich verkaufte. Lillemor hatte mich an antikvariat.net angeschlossen, was als Erleichterung gedacht war. Dadurch sollte ich weniger Kunden im Laden haben und möglicherweise darauf verzichten können, ihn zu öffnen. Und so klebte ich die Warnzettel auch in die Bücher, die ich einpackte und verschickte. Es kam vor, dass ich erregte Briefe und Ansichtskarten erhielt von Leuten, die den Kauf rückgängig machen wollten, weil sie die Zettel übel nahmen. Die können mich mal, dachte ich. Gebraucht ist gebraucht.
Bücher via Internet zu verkaufen führte nicht dazu, dass weniger Leute in den Laden kamen. Im Gegenteil, es kamen neugierige junge Männer und kauften aufs Geratewohl. Sie grinsten anerkennend, wenn sie einen Warnzettel in einem Buch entdeckten.
Als ich eine Ausgabe von Karin Boyes Astarte hereinbekam, konnte ich es mir nicht verkneifen, folgenden Zettel hineinzukleben:
Literatur
ist Ursache für
die meisten Selbstmorde
in unserem Land.
Er nützte. Der glatzköpfige Angehörige der ironischen Generation, der das Buch lediglich wegen der eingeklebten Warnung kaufte, würde Astarte vielleicht lesen. Vergessene Bücher liegen mir am Herzen, weil ich weiß, dass man auch meine in Nachlasskartons packen und in den überquellenden Antiquariaten ablehnen wird und dass sie via Hilfsorganisationen oder Brockensammlungen irgendwann auf der Müllkippe landen werden.
Ich entdeckte, dass eine bestimmte Sorte Kunden einen Warnzettel erwartete, ja es kam sogar vor, dass sie danach fragten, wenn sie vor den Regalen in einem Buch blätterten. Ich antwortete, die Warnung werde erst eingeklebt, wenn das Buch bezahlt sei. Bei jungen oder noch nicht ganz mittelalten Männern, denen mit schwarzen Röhrenjeans und mächtig langen Schuhen, wurden die Zettel das, was man Kult nennt, und die Geschäfte begannen viel besser zu laufen, als mir lieb war.
Lesen führt zur Verstopfung
in den Blutgefäßen des Gehirns
und verursacht
Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Ist man zwischen zwanzig und dreißig oder vielleicht sogar schon fast vierzig, glaubt man nicht an den Tod. Aber man liebt todesbewusste Musik. Je massiver und härter, desto besser. Deshalb hatte ich immer Krebs- und Infarktzettel parat, wenn ein Dreißigjähriger in kurzem schwarzen Mantel sich im Laden umsah.
Bücherstaub verursacht
tödlichen Lungenkrebs.
Einmal landete ich bei einer jungen Frau einen Volltreffer, glaube ich. Ihr Blick wurde stier, als sie las:
Lesen in der Schwangerschaft
schadet Ihrem Kind.
Eigentlich ist es ja nicht so schwierig zu sehen, ob eine Frau schwanger ist. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie erst vor Kurzem auf der Toilette gesessen und ihren Test angestarrt hatte. Ich kam mir wie eine Hexe vor, und das war gar nicht dumm. Ungefähr wie die alte Pflöke in Ich, Ljung und Medardus . Hjalmar Bergman wusste seltsamerweise, was sich in einem alten Frauenkörper unter Stoffschichten regen kann.
Wenn forsche Mütter von Kleinkindern in den Laden kamen und beinahe
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