Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
nicht. Gar nichts davon. Lillemor ist es, zumindest einigermaßen.
Diesmal aber gerät sie aus dem Konzept und sagt: »Bedanken Sie sich nicht bei mir.«
Die Frau schaut verdutzt drein. Dann ruft sie aus: »Sie meinen, dass Sie nicht … dass es nicht Ihr Verdienst ist. Dass Sie …«
»Genau«, sagt Lillemor.
Dann sucht sie das Weite. Sie will jetzt nach Hause. Nur zu Hause kann sie ganz sicher sein, Blicken und Stimmen und Leuten, die sie anfassen, zu entgehen. Die Frau folgt ihr hoffentlich nicht die Treppe hinauf? Womöglich möchte sie noch mehr wissen. Ob es die Inspiration oder gar Gott sei, der Lillemor Troj ihre Romane eingebe. Sie muss jetzt einfach nach Hause. Selbst wenn Max in einem Taxi vor dem Eingang sitzt.
Ruhe haben. Das ist mein Mantra, denkt sie. Ich muss meine Ruhe haben mit diesem furchterregenden Papierstapel.
Sherry Käseglocke Fleischwolf
1954 heiratete Lillemor einen Staatswissenschaftler namens Rolf Nyrén. Der erste Gratulationsempfang fand in Kramfors statt, und ich bin hin. Astrid Troj war es gelungen, den Verkaufsleiter des Papierkonzerns hinzulotsen, da sie seine Frau vom Roten Kreuz her kannte. Zwei Lehrer erschienen, einer mit seiner Frau und einer, der nach Knoblauch roch. Er war Gesundheitsfanatiker und der Bruder des Propsts. Astrid Troj hatte im Vorfeld schon Befürchtungen gehegt, aber alle von ihrer Seite kamen mit Hut. Von der Nyrén-Uddfeldt-Seite kamen nur Rolfs Mutter und seine beiden Schwestern. Wenn man nicht sehr scharfe Augen hatte, war Astrid ihre Nervosität nicht anzumerken. Die schien sie nur noch liebenswürdiger und unbefangener zu machen. Es war doch jetzt Frühling, fast schon Sommer. Dadurch wurde das Haus größer (fand Astrid), die Terrassentüren standen zu den Fliesen und dem Steingarten hin offen. Sicherlich hatte Lillemor gesagt, sie sollten die Sonnenuhr entfernen, und Kurt Troj hatte sie weggebracht, weil er sich auf das Stilgefühl seiner Frauen verließ. Das von Lillemor hatte sich mit jedem Monat in Uppsala weiterentwickelt. Sie hatte ihre Aussprache verfeinert und ließ sich kein ungebeugtes norrländisches Prädikativ entschlüpfen. Ja sie wählte jetzt den Begriff Norrländisch. Als Gymnasiastin hätte sie sich darüber geärgert, es müsse Ångermanländisch heißen.
Das Haus habe etwas von einem Schuhkarton und sei bestimmt aus dem Katalog, sagte die ältere Schwägerin halblaut. Drinnen war es hell, und in den Sonnenstreifen schwebten blaue Zigarettenrauchschleier. Es roch nach Wein, der Sherry war halbsüß und versetzte die Nasenflügel der jüngeren Schwägerin in gequältes Beben. Die Geschenke kamen auf den Esstisch. Damasttücher mit altem Muster und moderne Wolldecken mit Streifen in Hellgrün, Rosa und Gelb. Salatschüsseln aus Teak. Toaster. Dessertteller mit Blumendekor. Die Frau des Konzernverkaufsleiters drehte sie um und sah, dass sie von Bavaria waren. Sie und die anderen Damen drückten sich am Tisch entlang und lasen die Karten.
Lillemor trug ein rosarotes Kleid mit gefälteltem Rock und darüber einen Bolero. Astrid nähte gut, obendrein war es billig. Lillemors Haar war elektrisch geladen und wölkte sich, obwohl sie es auf eine Netzwurst gewickelt hatte, um einen Pagenkopf hinzukriegen. Es umgab sie wie eine Mandorla aus Sonnenlicht, und sie hatte nichts zu befürchten, sie war jung. Wenn sie sich mit den Schwägerinnen unterhielt, war sie von euphorischer Freundlichkeit. Die Ältere roch komischerweise nach Hund. Sie hatten sich an den Vitrinenschrank gestellt, was Astrid zu beunruhigen schien.
Ich war früh gekommen und hatte eine Käseglocke auf den Geschenketisch gestellt. Es war die dritte und keineswegs die teuerste. Lillemor hörte sich beschwipst an, als sie sagte, dass man nie genug Käseglocken haben könne. Dann korrigierte sie sich, man könne sie ja umtauschen, und leise: »Deine tausche ich nicht um, aber wo hast du sie denn gekauft? Im Porzellanladen?«
Die Käseglocke war aus grünem Glas mit eingeätzten Blumen. Eine Art Ewigkeitsblumen, nichts Modernes. Sie stand jedoch auf einem Untersatz aus Teak. Ich zog mich zur Wand zurück.
»Nimm dir doch Torte«, sagte Lillemor.
Wir waren ja nicht unbedingt Freundinnen, und die Käseglocke war leicht übertrieben. Doch wir hatten immerhin diese Kurzgeschichte und den ersten Preis gemeinsam. Ich stand neben dem Schrank und lauschte. Die Stimmen waren schriller geworden.
»Der muss sehr alt sein!«
»Antik, meinen Sie?«
»Kaum, aber er erinnert mich
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