Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
half mit, ich desgleichen.
Ich roch die Muffigkeit in dem Schlafzimmer. Vornehm war es. Aber muffig. Als ob hier etwas sehr schnell alterte. Kandelaber und Hüte in Gesellschaft sollten bald nur noch Hieroglyphen sein, vergessenes Gerümpel.
Lillemor sinniert auf dem Heimweg
von der Königlichen Bibliothek im Taxi über Sjöborg. Das Haus war ein Holzgebäude mit Seitenflügeln. Ob es noch steht? In einer Mälarbucht ergoss sich träges grünes Wasser in den Uferschlamm.
Sind es die scharfen Erinnerungsbilder, die Leute dankbar machen? Möglicherweise hat das Gedächtnis erogene Zonen, die beim Romanelesen stimuliert werden. Babbas Text hat den General heraufbeschworen, obwohl über ihn eigentlich nichts drinsteht. Er war ja nicht auf dem Gratulationsempfang zu ihrer Hochzeit. Sie mussten sich bei ihm jedoch für die Kandelaber bedanken, weswegen sie wohl mit diesem Ford Eifel nach Sjöborg hinausgefahren sind.
Sie denkt an Rolfs Großvater, an die braunen Flecken und dicken blauen Adern auf seinen Händen. Alles an ihm war schlaff, hängend und fließend. Außerdem war er ungleichmäßig rasiert. Es muss schwierig gewesen sein, die alte Haut so zu spannen, dass der Bart abgeschabt werden konnte.
Er empfing sie in der Bibliothek. Die Haushälterin schob ihn in seinem Rollstuhl herein und stellte ihn ab. Hieß sie nicht Fräulein Lundbom? Egal, sie schenkte Sherry ein und breitete dem General eine Serviette auf dem Schoß aus. Lillemor hatte zuerst gedacht, er sei nicht mehr bei Verstand. Doch da fragte er, wo ihr Vater angestellt sei, und sie antwortete keck, dass er eine eigene Firma habe.
»Was macht er?«
»Er hat eine Bootswerft.«
»Im Telefonbuch steht Oberbuchhalter«, sagte der General.
In der Bibliothek oder draußen tickte es. Irgendwo war eine Uhr. Dann merkt sie, dass es im Taxi tickt. Der Chauffeur hat irgendetwas an seinem Rechner gemacht, sodass sich langsam eine Quittung herausschiebt. Lillemor kramt ihre Master Card hervor und reicht sie ihm. Was um alles in der Welt hat sie dem General erzählt? Dass Vater zuvor im Konzern gewesen war. Dass die Bezeichnung Oberbuchhalter versehentlich stehen geblieben war.
»Na ja«, sagte der General, der beileibe nicht verkalkt war. »Ich werde mich bei Odde erkundigen.«
Den Namen Odde so en passant hinzuwerfen war unglaublich. Er war damals Vorstandsvorsitzender des Konzerns. Ein paarmal im Jahr kam er von Stockholm angereist, folglich gab es ihn tatsächlich. Vor allem aber war er ein Anzugtuch unvorstellbarer Qualität.
Nach einem dürftigen Mittagessen waren Rolf und sie ins Turnhaus gegangen. Es hatte Fenster zum See, Sprossenwände und einen trockenen Geruch, denn es war lange her, dass junge Generalssöhne hier trainiert hatten. Rolf wollte, dass sie sich an die Trapeze hängten, nackt. Sie unbewegt und er aus seiner Richtung her pendelnd. Er wollte versuchen, genau zu treffen. Das erforderte eine steile Erektion.
Rolf hatte so viele sexuelle Einfälle. Sie wurde müde und sah, wie das Wasser des Mälaren am Ufer graubraun wurde, denn Wind war aufgekommen, und die Wellen schäumten. Rolf versuchte es. Es war ja eine Frage konzentrierter Präzision, und da war es nicht leicht, die Erektion aufrechtzuerhalten.
Lillemor verspürte diese tiefe Müdigkeit. Gleichwohl nur am Anfang.
Müde vom Kampf, das ist der Gedanke, der ihr jetzt kommt.
Da sagt der Chauffeur: »Würden Sie bitte hier unterschreiben.«
Er hält ihr die Unterlage mit der Quittung und einen Stift hin und wartet offenbar schon eine geraume Weile.
Verzweiflung Wahnsinn Mäuse
Am 13. September 1959 um 22:02:30 Uhr schwedischer Zeit erreichte Lunik II den Mond und schlug dort auf, und als das erledigt war, brachten sie im Radio Schubert. Am 14. September war der Himmel über Uppsala bedeckt, trotzdem schauten viele nach oben. Tage Erlander war Ministerpräsident und Gustaf VI. Adolf König. Was mich angeht, so schob ich das sechste Jahr einen Bibliothekswagen durch die unterirdischen Gänge und Korridore der Uniklinik. Lunik befand sich zwischen dem Meer der Ruhe, dem Meer der Heiterkeit und dem Meer der Dünste.
Am Nachmittag kam ich zur Psychiatrie. Auf dem Flur der Station 56 saß ein Mann in ausgewaschener blauer Patientenkleidung. Er war drauf und dran, seinen Schwanz herauszuholen, als ich den Bücherwagen aus dem Aufzug stieß. Während er an sich fummelte, ging ich zur 57 weiter, einer ruhigen Station mit Geranien.
Eine Tür stand halb offen. Ich sah ein Bett mit
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