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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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hervorriefen, wunderte mich. Sollte sie nicht besser glauben, die Welt sei genauso süß und lecker, wie sie sich vor dem Spiegel zurechtzumachen suchte?
    Süß ist, auf Mädchen bezogen, ein eigentümliches Wort. So saccharinhaltig. Als ich aufs Gymnasium ging, half ich in den Sommerferien in der Konditorei aus, in der meine Mutter arbeitete. Zu der Zeit war es für eine Oberschülerin nicht schicklich, als Kellnerin zu jobben. Aber in Kramfors würde wohl kaum eine Lehrkraft aus meiner Oberschule in Härnösand auftauchen.
    Lillemor Troj kam oft. Meine Mutter erzählte, sie und ihre Freundinnen würden Gebäck verschlingen, sobald sie genug Geld beisammenhatten. Doch Lillemor war die Schlimmste. Sie kam auch allein, und ich fand heraus, dass sie so gierig war auf Süßes, dass sie nicht immer teilen wollte, wenn sie Geld beisammenhatte. Süßes für die Süße, dachte ich. Gleichzeitig aber wusste ich, was sie las, und wurde nicht klug aus ihr.
    Eines Tages fragte sie mich, ob es auch Gebäckbruch gebe. Dieser Ausdruck aus meiner Kindheit rief mir die Tüten mit zerbrochenem Kuchen und verunglücktem Gebäck in Erinnerung, die wir uns in ebendieser Konditorei für fünf Öre gekauft hatten. Lillemor bestimmt auch. Von nun an versorgte ich sie mit Trümmern von Backwerk, für die wir kein Geld verlangen konnten.
    »Für den Kaffee musst du aber löhnen«, sagte ich.
    Ich empfand einen gewissen Widerwillen dagegen, diese adrette Figur mit Süßigkeiten vollzustopfen. Sie wurde von ihren Exzessen allerdings nicht dicker.
    Viel später, während ihrer Zeit im Krankenhaus, hörte ich sie sagen: »Ich kann kein Essen bei mir behalten.«
    »Kotzt du?«
    »Mir wird schlecht, und ich muss mich übergeben.«
    Schon damals fragte ich mich, ob sie mit zwei Fingern im Hals nachhalf. Während unserer Schulzeit hatte man von einem solchen Verhalten nie etwas gehört. Doch mit steigendem Wohlstand wurde es immer üblicher.
    Den Vergleich zwischen Lesen und Süßigkeitenverdrücken kann ich nicht weiter treiben als bis zur Unersättlichkeit. Von dem, was man liest, kann man sich schließlich nicht befreien.
    In unserem ersten Sommer in Roslagen, als ich dem alten Knacker mit den Eiern Beine machte und noch so manches andere regelte, betrachtete ich sie meist als gepflegte Leere. Sie tat noch immer so, als glaubte sie an ihre aussichtslose Ehe. Gott schien nicht mehr aktuell zu sein, auch wenn sie sich manchmal anders verhielt.
    Die Leere und die verlorene Hoffnung teilte sie mit vielen. Das Entsetzen über die Atombombe und ihren giftigen Ascheregen war abgeklungen, dreizehn Jahre nachdem in Hiroshima und Nagasaki Gebäude, Menschen und Sand geschmolzen waren. Danach hatte sich ein nagendes Gefühl der Leere breitgemacht, der Status quo des Eisernen Vorhangs, dessen Ende sich auszumalen niemand genug Kraft oder Phantasie besaß. Der Wohlfahrtsstaat und die Sozialdemokratie erzeugten keine Kampfeslust mehr. Die Gläubigen hatten ihr Glücksreich wohl erlangt, als Arbeiter wie mein Vater sich ein Auto kaufen konnten, und die Widersacher hatten vor der Gleichmacherei und Verarmung durch Steuern die Waffen gestreckt. Die Zustände glichen einander, wenn auch der eine aufgebläht, der andere giftig war. Status quo allenthalben. Sogar meine Eltern wandten verlegen den Blick ab, wenn ihre Gewerkschaftsvertreter sich Bonzenbäuche zulegten.
    Sie lasen am Küchentisch, wo die Leuchtstoffröhre ein Segen war, als ihre Sehkraft allmählich nachließ. Sie verleibten sich die Dunkelheit und den monatelangen Regen Afrikas ein, indischen Urzeitschrecken in Bergeshöhlen und klitschige Liebe in Kolonien, die gerade abgewickelt wurden. Ich hatte ihnen Greene, Forster, Shute und Maugham empfohlen. Die Lebensbeschreibungen unserer Arbeiterschriftsteller hatten sie gelesen, bis sie sie auswendig kannten, denn sie hatten sie über den Vertrauensmann am Arbeitsplatz bezogen und in der Küche ins Stringregal gestellt. Sie lasen sie immer wieder. Ich schäme mich, wenn ich daran denke, dass ich sie aus dieser Welt sauber gearbeiteter Holzschnitte in schillernde dunkle, vom Öl fremder Erdteile schwere Gemälde gelockt habe.
    Sie waren der Meinung, sich Wissen einzuverleiben, doch ihre Lektüre glich dem Gebäck, das Lillemor früher in sich hineingestopft hatte. Die Leere hätten sie niemals eingestanden. Niemand von uns hat das getan, handelt es sich doch um späte Reflexionen in einer völlig anderen Zeit. Ich frage mich, ob jemals irgendein Teil der

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