Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
Vom Netzwerk:
schwer. Meine Bibliothekskarteikarten bestanden ja aus Impressionen, Beschreibungen und Reflexionen, die durch nichts zusammengehalten wurden. Ich muss zugeben, diese Krimis zusammenzupuzzeln war eine gute Schule. Es mussten Handlungsfäden angedeutet und ausgelegt werden, die ein gewiefter Leser verfolgen konnte oder an die er zumindest im Nachhinein denken würde. Der Mord sollte appetitlich sein, kaum Blut, allenfalls ein Loch in der Stirn oder ein umgekipptes Glas und ein Hauch von Bittermandel.
    Ich saß auf dem Dachboden der Kate, und dort hatte sich nie zuvor etwas ereignet. Es war keine alte Hütte, die Lillemor gemietet hatte, sondern eine für die Waldarbeiterfamilien des Eisenwerks in den Vierzigerjahren erbaute Behausung. Der Dachboden duftete nach Holz, und ich hatte das Gefühl, in einem jungfräulichen und geschützten Winkel des Lebens zu sitzen. Ich trank Tee und schrieb mit der Hand in einen Spiralblock.
    Ein Krimi musste meiner Meinung nach eigentlich auf der Maschine getippt werden. Ich hatte mich jedoch rettungslos dem Füllfederhalter verschrieben. Lillemor nahm sich der Seiten an und hämmerte sie in die Halda, die wir uns gekauft hatten. Diese Maschine wurde sowohl berüchtigt als auch beliebt, nachdem Bischof Dick Helander seine anonymen Schmähbriefe gegen seine Konkurrenten um das Episkopat in Strängnäs verfasst hatte. Es musste schnell gehen. Ich durfte nicht vom Kurs abkommen, wenn wir es schaffen wollten.
    Nun komme ich zu dem problematischen Wörtchen »wir«. Wir schrieben. Wir ließen uns etwas einfallen. So nannte Lillemor das. Von den Einfällen hielt ich sie jedoch fern. Sie besaß im Grunde keine Phantasie, weil sie ihr Inneres in Ordnung zu halten suchte. Aber sie besaß Adleraugen, wenn ich ein paar Seiten zusammengeschrieben hatte. Rechtschreibung, die konnte sie, und Kommas setzen. Manchmal hielt sie meinen Satzbau nicht für korrekt und änderte ihn pedantisch. Mir machte das nichts aus, denn selbst wenn ich mit einem irregulären Satzgefüge eine Absicht verfolgt hatte, so sah ich doch ein, dass dies kein Experiment auf einer Bibliothekskarteikarte war. Es war flotte Prosa.
    Leute, die schriftstellernde Frauen rühmten, liebten dieses Wort. Frauen sollten flott schreiben. Und rank und schlank sein. Ich mit meiner stämmigen Figur und einer Sprache, die wild wachsen wollte, saß geschützt auf dem Dachboden der Kate. Doch ich konnte so tun, als wäre ich sowohl rank und schlank als auch flott, und ich genoss es, in einer Sprache zu schreiben, die zu Lillemors Erscheinung passte.
    Als die Geschichte ihr Ende erreicht hatte und alle, die sterben sollten, gestorben waren, schrieb Lillemor das Ganze mit Kohlepapier zwischen den Blättern ins Reine. Es wurden hundertachtzig Seiten. Die schickten wir an den größten Verlag Schwedens. Ich hatte eigentlich an etwas Bescheideneres gedacht, aber Lillemor parodierte mich: »Es steht uns nicht zu, uns kleiner zu machen, als wir sind.«
    Nachdem ich mit dem Bus nach Hallstavik gefahren war und das Manuskript bei der Post aufgegeben hatte, wartete sie mit einer Überraschung für mich auf. In der Spüle krabbelten und knisperten mindestens drei Dutzend grauschwarzer Krebse. Sie hatte Wasser mit grobem Salz und großen Dillblüten zum Sieden gebracht. Wir mussten noch bis zum nächsten Tag warten, weil die Tiere in ihrem Sud ziehen mussten. Aber dann legten wir los, wir genehmigten uns Schnäpschen aus Roffe Nyréns Flasche, die er zurückgelassen hatte, und es wurde ein kolossal schmatzender und schlürfender Schmaus. Uns lief das Salzwasser am Kinn hinunter und verwischte Lillemor das Make-up. Unglaublich, dass sie sich sogar in der Kate schminkte. Ich bin mir sicher, dass sie sich auch geschminkt hat, als sie allein war.
    Erst als wir tags darauf abspülen mussten, sah ich die weiße Waschschüssel mit dem blauen Rand, in der die Krebse gekommen waren. Die Emaille hatte Schmutzspuren, das machte mich misstrauisch. Und richtig, es war der voyeuristische Sabbergreis, der sie als Geschenk angebracht hatte. Lillemor hatte natürlich nicht Nein sagen können, ob aus Ängstlichkeit oder aus dem Wunsch heraus, es recht zu machen, weiß ich nicht.
    Ich wanderte zu der Kate, wo er wohnte, traf seine verschüchterte Frau an und überraschte ihn in einer baufälligen Hofschmiede, wo er sich mit irgendetwas am Amboss zu schaffen machte, obwohl die Esse schwarz und kalt war. In dem dort herrschenden Halbdunkel hing ein Geruch nach Ruß und Asche,

Weitere Kostenlose Bücher