Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
ich, dass der Freiherr, dem das Gut, das Hüttenwerk und die Ländereien gehörten und der den Herrschaften Nyrén auch die Kate verpachtete, für die Sportfischerei Teiche angelegt und mit Edelfischen besetzt habe. Zum Schutz der Teiche vor Fischwilderei hatte er ein paar alte Waldarbeiter angeheuert, und die nahmen ihre Aufgabe ernst. Es war ein Wunder, dass Lillemor so lange unversehrt geblieben war.
Lillemor hatte keinen Selbsterhaltungstrieb. Sie dachte vor allem daran, wie sie sich ausnahm, wie sie sich verhalten sollte und was ihre Pflicht war.
Ihre erste Pflicht schien es zu sein, von Leuten Gutes zu denken. Dass sie noch immer an den Schwätzer Roffe Nyrén glauben wollte, war vielleicht nicht so verwunderlich. Sie hatte ja hoch gesetzt und ihn geheiratet. Aber warum musste sie von einem alten Knacker mit Schnapsfahne, der mit Eiern voller Hühnerkacke und Daunenfedern daherkam, Gutes annehmen, und warum quälte sie sich an einem öden Ort in den Wäldern von Roslagen angstvoll allein durch die Nächte? Um im Bett die vielen seltsamen und furchterregenden Geräusche nicht zu hören, hatte sie sich den Finger ins Ohr gesteckt. Sie sehnte sich danach, dass es endlich vier Uhr wurde, weil dann die Sonne aufgegangen wäre und sie wie immer ein wenig eindämmern konnte.
Ich fragte sie, warum sie nicht nach Hause fuhr, wenn sie solche Angst hatte, und sie sagte, dass sie in Eriksberg an der Endhaltestelle der Buslinie sechs wohne. Der Bus stehe immer lange mit stark vibrierendem Leerlauf unter ihrem Schlafzimmerfenster. Und das Haus sei so hellhörig, dass sie nachts, wenn alles still sei, den Deutschlehrer der Mädchenschule Magdeburg pinkeln höre.
»Ich konnte nicht daliegen und mir das anhören«, sagte sie. »Und Rolf muss seine Dissertation schreiben.« Das war alles nicht ganz einfach zu verstehen, doch nach und nach erhellte es sich. Sie hatte entdeckt, dass sie schwanger war. Das war ihr im Zug auf der Fahrt von Stockholm klar geworden. Und sie wäre nicht Lillemor gewesen, wäre ihr diese Einsicht nicht als kolossale Offenbarung gekommen und hätte sie sich, in Uppsala angelangt, nicht aufs Rad gesetzt, um in einem Gefühl der Bedeutung und Erfüllung nach Eriksberg zu fahren. Und dann ging es also schief.
Sie war wie üblich zu der Filmgesellschaft nach Stockholm gependelt, wo sie nicht etwa Werbetexte schrieb, wie sie ausdrücklich betonte. Sie verfasse Sprechertexte und sei vor allem kein Skriptgirl, damals der Frauenberuf beim Film schlechthin. Sie setze Bilder und Texte zu Kurzfilmen zusammen (so drückte sie es aus, um den Begriff inszenieren zu vermeiden), die manchmal von Kunst handelten. Sie hatte ja jetzt ihren Magister in Literaturgeschichte und Nordischen Sprachen samt zwei Semestern Kunstgeschichte und einem Semester Ästhetik.
Die Schwangerschaft endete in einer Katastrophe; danach ging es ihr schlecht, und sie erhielt mehrere Bluttransfusionen. Sie war nach wie vor schwanger, als das überstanden war, doch ich weiß nicht, wie sehr sie darauf noch zu hoffen wagte. Zu guter Letzt fuhr sie mit ihrer Gebärmutter und deren kostbarem Inhalt, der ziemlich mitgenommen sein musste, nach Hause. Wie und wo dieser zweite Embryo abgegangen war, wollte sie nicht erzählen, weshalb ich annehme, dass es auf der Toilette war.
Nun saß sie hier, Tränensäcke unter den Augen vor Schlafmangel, zittrig und mit dünnem Stimmchen, und sagte, wir sollten diesen Krimi schreiben, den wir uns ausgedacht hätten. Sie besaß noch die Aufzeichnungen von Station 57, jede Menge Seiten in einem A4-Spiralblock. Ich legte mich aufs Bett und las und ging nur mal hinaus, um diesem alten Knacker mit seiner speckigen Schiebermütze und der Tüte Hühnereier Beine zu mache. Als ich durch war, sagte ich zu Lillemor, dass sich daraus nichts machen lasse. Sie war maßlos enttäuscht und versuchte, unsere Einfälle zu verteidigen.
Ich hielt dagegen, dass wir die Idee mit dem literarischen Zitat als Motto vor jedem Kapitel von H. K. Rönblom geklaut hätten und das akademische Milieu und die geschraubte Ausdrucksweise von Maria Lang. Das Uppsalamilieu sei verstaubt, die Geschichte als solche an den Haaren herbeigezogen und wenig glaubwürdig.
»Von einem Krimi verlangt doch niemand Glaubwürdigkeit«, sagte Lillemor.
»Bisher war das vielleicht so. Aber es ist Zeit, es mal damit zu versuchen.«
»Du meinst mit Realismus? Ich möchte auf keinen Fall diese Bücher aus dem Giftschrank der Unibibliothek über richtige
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