Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
eingenistet.
Die Gedanken daran befielen sie wieder, als sie in Rotbol lag und sich in den Brunnen des Schlafs abseilen wollte. Die Ratten raschelten. Vielleicht waren es ja auch nur Mäuse. In jenen Sommernächten hatte das Leben etwas hoffnungslos Graues, nach Ratten Riechendes. Ihr Leben. Aller Leben. Ist es denn so?
Mangel Embryo Eier Schmutz
Es vergingen tatsächlich nur etwas mehr als sechs Monate, bis Lillemor sich meldete. Mir kam es viel länger vor. Sie hatte kaum Zeit für mich, als ich sie mal anrief, denn sie war mitten im Trubel mit festlichen Klamotten von Leja, darunter ein Kleid aus Paris. Allerdings Prêt-à-porter, das gab sie zu. Jedenfalls mir gegenüber.
Sie hatte jetzt wieder dieses Flattern in der Stimme, und sie sagte, sie könne nicht offen sprechen, weil sie von einem Nachbarn aus anrufe. Sie sei in der Kate, allein.
Warum allein? Weil Roffe an seiner Dissertation arbeite. Ich glaubte eher, dass er im Flustret saß und sich leichte Sommerdrinks genehmigte, doch das sagte ich nicht, weil sie sich anhörte, als würde sie gleich zerbrechen.
»Wir könnten doch diesen Krimi schreiben, den wir uns ausgedacht haben. Falls du es nicht schon getan hast. Und falls du kommen kannst.«
»Ich habe ab Freitag Urlaub«, sagte ich. Es war Mittwoch, und ihre Stimme verriet, dass sie diese zwei Tage mit knapper Not überstehen würde. Ich war heftig unter Druck geraten, später Urlaub zu nehmen. Mein Chef war der Meinung, zuerst sei das verheiratete Bibliothekspersonal an der Reihe. Wenn man Familie habe und mehrere Termine unter einen Hut bringen müsse, dann habe man bei den begehrten Juliwochen den Vortritt. Da wurde ich so sauer, dass ich auf meinem Recht beharrte, obwohl ich keine anderen Urlaubspläne hatte, als nach Kramfors heimzufahren. Ich wollte lesen und vielleicht mit meinem Vater in seinem Kunststoffkahn von Gustafsson & Troj auf den Fluss hinausrudern und mit ihm und Emil angeln.
Ich freute mich, dass Lillemor angerufen hatte, und als ich sie dann sah, war sie so ergreifend, dass sie einem nur leidtun konnte. Sie war hohlwangig, hatte schwarzblaue Augenringe und spitzknochige Arme, die aus den angeschnittenen Ärmeln eines weiß getüpfelten grauen Kleides ragten. Es war gerade geschnitten, ohne Taille. Sie habe es gekauft, weil sie schwanger gewesen sei, aber daraus sei nichts geworden, erklärte sie.
So klang das zunächst. Tapfer, fast verbissen. Es war wie immer schwierig, aus dem Menschenkonzept Lillemor Troj klug zu werden. Sie konnte nicht schlafen, doch das hätte sie nicht zu erwähnen brauchen, das sah man.
»Das ist doch nicht weiter verwunderlich«, sagte ich. »Du mit deiner Angst vor der Dunkelheit. Trotzdem haust du mutterseelenallein in einer Hütte, ohne Nachbarn, nur mit einem geistesgestörten alten Knacker, der sich an dich heranschleicht.«
Den entdeckte ich gleich am ersten Tag. Er stand in einem Erlengebüsch und spannte lüstern auf Lillemor, die im Bikini auf einer Decke lag, während ich drinnen saß und unseren Krimientwurf durchlas, den sie ihrer Filmwelt entsprechend Synopsis nannte.
Ich schlich mich von hinten an den Alten heran und brüllte: »Was suchen Sie hier?«
»Soll paar Eier bring«, nuschelte er und hatte tatsächlich eine Papiertüte bei sich.
»Nehmen Sie Ihre Scheißeier, und machen Sie, dass sie fortkommen«, sagte ich.
Er glotzte mich böse an, und ich dachte mir, dass wir uns vorsehen müssten. Ein paar Tage später hörte ich im Laden, er habe im Sommer davor seine Frau erst fast zu Tode erschreckt, indem er mit Selbstmord drohte, und anschließend im Brennholzschuppen eine Schlachtmaske für Schweine abgefeuert. Der äußerst mitteilsame Kaufmann hatte keine Schlagsahne zu unseren Walderdbeeren, die wir milchsattenweise gesammelt hatten, bot aber aus der Gefriertruhe einen uralten Tetrapak Sahne an, von der er glaubte, sie sei dort wieder frisch geworden. Gefriertruhen waren ein derart neues Phänomen, dass ihnen magische Kräfte zugeschrieben wurden.
Spätestens jetzt erkannte ich, wo Lillemor da gelandet war. Als sie einmal Pflanzen suchte, hatte ein anderer Geistesgestörter mit einer Schrotflinte auf sie geschossen. Sie war der Meinung, in einem dunklen Waldsee eine Wasseraloe entdeckt zu haben, und wollte schon einen Steilhang hinunterklettern, als das Schrot gegen die Bergwand prasselte. Die Entfernung war groß, und Lillemor kam nur deswegen davon, weil sie in ihrer Eile von dem Felsenband gestürzt war.
Im Laden erfuhr
Weitere Kostenlose Bücher