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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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Klaviermusik.
    Sie hatte eine Platte aufgelegt und gesagt: »Chopin. Kurt hat Chopins Musik vergöttert. Das ist die Polonaise As-Dur. Du weißt ja, dass er musikalische Interessen hatte.«
    Das Letzte kam mit einem bitteren Lachen. Ich hatte einen derart trockenen Mund, dass ich nicht sprechen konnte.
    Ich trank einen Schluck von dem Gin Tonic und presste schließlich hervor: »Wie kommst du denn darauf?«
    »Hä! Ist doch klar, dass du sie schreibst.«
    »Ich verstehe kein Wort! Lillemor tut sich etwas schwer mit der Rechtschreibung und der Grammatik und kann auch nicht sonderlich gut Maschineschreiben. Also braucht sie Hilfe.«
    »Ha!« Astrid nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Glas. »Lillemor ist hervorragend in Rechtschreibung und beherrscht Rebbes Sprachlehre vor- und rückwärts. In der Schule hat sie furztrockene Aufsätze geschrieben, nie ein frei gewähltes Thema. Schulmädchenkorrekt.«
    »Aha, soso. Dann ist ja klar, dass du nicht verstehst, wie sie schreibt, wenn sie jetzt ihrer Phantasie freien Lauf lässt.«
    »Phantasie! Sie hat nicht mehr Phantasie als ein …«
    Sie lallte noch nicht, suchte aber nach Worten und entschied sich für Wischmopp.
    »Sie kann auch ausgezeichnet Maschineschreiben«, sagte sie. »Ich habe sie selbst drauflosrattern sehen.«
    »Ich glaube, du hast da was völlig falsch verstanden«, erwiderte ich. »Du glaubst nicht an Lillemor. Bist sogar ziemlich herablassend zu ihr. Als würde sie zu überhaupt nichts taugen.«
    »Außer zum Heiraten!« Astrid lachte. »Dieser neue Typ ist doch ein hoffnungsloser Langweiler. Findest du nicht?«
    Ich glaubte schon, sie sei vom Thema abgekommen.
    Aber da schlug sie zu: »Ich habe doch gesehen, dass sie deine Manuskripte auf der Maschine ins Reine schreibt. Spiralblocks, handgeschrieben.«
    »Was willst du eigentlich?«, fragte ich. »Ich gehe jetzt. Du bist ja betrunken.«
    Ich war ihr jetzt nicht mehr gewachsen. Ich musste nach Hause und nachdenken. Schnell.
    Wir saßen in der Falle. Lillemor verwahrte meine Spiralblocks in der obersten Kommodenschublade, die sie selbstverständlich abschloss. Doch den Schlüssel, wo deponierte sie den? Hätte sie ihn im Kühlschrank in die Butter gesteckt oder zwischen die Schinken geklebt, selbst dann hätte ich bezweifelt, dass sie ihre Mutter überlisten konnte.
    In dieser Nacht sah ich Astrid Troj unser Leben zerstören. Ich sah wie in einem amerikanischen Spielfilm aus den Vierzigerjahren Schlagzeilen aus der Druckmaschine vorbeirollen. Ich sah die Nemesis Divina mit über den Mund hinaus geschminkten Lippen und mit einem Gin Tonic in der Hand. Ich wünschte, sie wäre tot. Auf der Stelle.
    Dieser Gedanke war eigentlich völlig natürlich.
    Es heißt, Kreativität habe mit Schizophrenie zu tun. Dopamingehalte im Thalamus oder wie immer sich das verhält. Mein Gehirn blitzte jetzt tatsächlich von seiner Chemie. Ich sah Astrid sterben. Ich sah ihre Beerdigung. Die Lilien, die Kerzen, Lillemors kleinen, unmodernen Jackie-Kennedy-Hut zum schwarzen Kostüm und auf der Empore Kurt Trojs Geliebte, die das Ave-Maria krähte – eine berückende Ironie!
    Ich schwelgte.
    Am Ende der Autofahrt, zurück auf dem Dachboden von Antes altem Kasten, wurde der Thalamus grau und schrumpfte. Mein Gehirn war wieder nüchtern. Fakt aber blieb: Wenn es nicht dazu kommen sollte, dass Astrid unser Leben zerstörte, musste sie weg. Die Frage war nur, wie. Mir fiel ein, dass ich mir sechs Intrigen für Kriminalromane ausgedacht und mit guten Rezensionen unter Dach und Fach gebracht hatte.
    Drei Wochen lang ging mir dieses Projekt immer wieder durch den Kopf, und das erinnerte mich sehr an die erste Zeit mit einer Romanidee. Man dreht und wendet das Bild, das man skizziert hat, und tastet nach einer Sprache dafür. Nach einem Ton. Das kann Wochen dauern, ja Monate. Jetzt aber musste es fix gehen.
    Ich wollte selbstverständlich nicht Hand an sie legen. Das könnte ich auch gar nicht. Mit einem Tranchiermesser und Blut herumpatschen, eine Krawatte oder einen Gürtel zuziehen, stoßen, stechen, schießen – womit? Antes Schrotflinte? Unmöglich. Wenn ich handeln sollte, musste es mit einer Berechnung vor sich gehen, die mich in große Entfernung vom Ablauf des Geschehens brachte, so weit weg, als hätte ich nur darüber geschrieben. Mit List.
    Wäre es eine Romanintrige gewesen, so hätte ich es mit Pilzen versucht: ein paar richtig schönen Riesenrötlingen, in Sahne geschmort und auf einen warmen Toast gelegt.

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