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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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hatten wir uns voneinander entfernt.
    Meine Mutter legte die geschuppten Barsche jetzt in den Sud, den sie mit Salz, Zwiebeln, Dill und Lorbeer gekocht hatte. Sie ließ sie köcheln, schnitt Petersilie in eine Tasse und verknetete Butter und Weizenmehl. Die Kartoffeln waren bereits gar, als sie von dieser Beurre manié, von der sie nicht mal wusste, dass sie so hieß, kleine Stücke zuppelte und geschickt im Sud verteilte. Mir ging durch den Kopf, wie einfach es doch war, in der Wirklichkeit zu leben und immer zu wissen, was zu tun ist.
    Schwierigkeiten und Scherereien kommen und gehen vorüber im Leben wie die Waggons eines Güterzugs. Das ist meine Erfahrung. Man muss lernen, sie nicht zu beachten, ungefähr so wie jemand, der an einer Bahnstrecke lebt. Alle Sorgen, die kommen, gehen schließlich vorüber. Nach einer Weile erinnert man sich gar nicht mehr daran. Erinnerte ich mich denn noch an die Affenköpfe in der Stadtbibliothek von Uppsala oder an die Gecken in der Lundequistska-Buchhandlung, die den Schwanz nach oben gerichtet trugen?
    Das hatte ich zu Lillemor immer gesagt, denn sie kümmerte sich um alles. Nahm auch zu viel auf sich. Jetzt saß sie wegen Tompa zweimal die Woche in einer Gesprächstherapie. Der Bengel war irgendwann zu einem Psychologen gekommen, der sich, vermutlich durch Teilung, vermehrt hatte, denn der andere, der sich um Lillemor kümmerte, war genau gleich. Sie hatten halblange Haare und trugen karierte Hemden aus dem Arbeitsklamottenladen, KFML-Abzeichen und dreckige weiße Socken mit grauschwarzen Sohlen. In den Genuss dieses Anblicks kam Lillemor, wenn sie die Füße auf den Schreibtisch legten. Hätte ich das vorher gewusst, dann hätte ich sie gewarnt: Bloß keine vertraulichen Mitteilungen, um Gottes willen! Doch sie erzählte treuherzig, dass der Lappen, aus dem Tomas Lösungsmittel geschnüffelt hatte, als sie ihn fand, aus ihrem Nachthemd herausgerissen war, weiß mit rosaroten Blumen.
    Jetzt wurde daraus Psychologie: Ihr war es demnach nicht gelungen, ihm die Geborgenheit zu geben, die er brauchte, und deshalb nahm er ihr Nachthemd. Als sie irgendwann bei mir auf dem Dachboden saß und mir das erzählte, versuchte ich das Ganze mit Vernunft auseinanderzunehmen: Den Lappen hatte er doch im Putzschrank gefunden. Er konnte nicht wissen, dass es ein altes Nachthemd war, und außerdem war er auf die Lösungsmitteldämpfe aus, nicht auf sie. Lillemor war jedoch felsenfest davon überzeugt, dass ihm ihre ungeteilte Liebe fehlte.
    Und Sunes ungeteilte Liebe? Fragten sie danach nicht?
    Darauf antwortete sie nicht, denn es war ja nicht Sunes Nachthemd, an dem Tompa geschnüffelt hatte. Und Sune Wahrheit hatte absolut keine Zeit, eine Therapie zu besuchen, und im Übrigen verstehe er sich, wie er sagte, nicht so gut auf Beziehungen wie sie.
    Warum war Sune so wichtig für sie? Und wie kam es, dass Tompa jetzt ihre Angelegenheit war? Wie oft hatte ich ihr nicht gesagt, dass die Menschen in unserer Umgebung Figuren auf dem Tuch des Lebens sind! Sie wandern vorbei, wenn neue Stoffbahnen ausgerollt werden. »An wie viel erinnerst du dich noch von Roffe Nyrén? Und wie viel machst du dir aus dem, woran du dich erinnerst? Ist er nicht fortgewandert, als das Tuch weiter ausgerollt wurde?«
    »Der Gobelin«, sagte Lillemor.
    »Bitte?«
    »Das Tuch des Lebens mit all diesen Figuren. Das ist ein Gobelin. Wir hängen ihn an kahle Wände. Ohne diese Figuren würden wir zwischen feuchten Steinwänden in Eiseskälte wohnen.«
    Manchmal ist sie richtig pfiffig.
    Ich hatte jetzt jedoch eine Sorge, die nicht vorüberrollte. Aus einem der Güterwagen stieg nämlich der Wolf mit Großmutters Nachtmütze auf dem Kopf, und ich war mit zwei Flaschen Beefeater Gin auf dem Weg zu ihm.
    Um sieben Uhr war ich wieder bei dem Haus am Gärdsbacken, und jetzt war Astrid daheim. Es waren aber Leute da, und mich überkam wieder dieses schwankende Gefühl, auf den grundlosen Boden der Wirklichkeit zu treten. Mit großem Hallo und einem gewissen Gingeruch kamen sie auf die Vortreppe heraus, im Begriff, sich zu verabschieden. Astrid winkte ihnen ausgelassen hinterher, bis sie auf der Straße bei ihren Autos waren.
    »Ich habe eine Führung abgehalten«, sagte sie. »Man muss es den Spekulanten ein bisschen gemütlich machen.«
    Sie wollte das Haus also verkaufen. Und wohin würde sie dann gehen? Es gab vieles, was ich herausfinden wollte, ging es aber vorsichtig an. Erst mal zog ich eine der Flaschen aus der Tasche.

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