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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Ekman
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Astrid war hin und weg und sagte, dass sie zum Glück Tonic im Haus habe. Auf fersenfreien Lackschuhen, ohne Schwanendaunen, klapperte sie über den Marmorboden der Diele davon.
    »Das ist nett von dir, dass du vorbeischaust.«
    Aber ja doch. Sie soll es genießen. Ich würde mich aber nicht schurigeln lassen.
    »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass du es schön bleiben lassen sollst, in Lillemors Namen aufzutreten und Preise entgegenzunehmen.«
    »Das sagst ausgerechnet du.«
    »Ja, das sage ich, weil Lillemor sich nicht traut, sich dir zu widersetzen.«
    »Ja, sie war schon immer verhuscht«, sagte Astrid, hob ihr Glas und nahm einen Schluck, der nicht der erste des Tages zu sein schien.
    »Du schüchterst sie ein«, sagte ich. »Aber mich schüchterst du nicht ein.«
    Ich hatte den Eindruck, mich gut zu schlagen, bis sie erwiderte: »Dann solltest du nicht vergessen, dass ich nicht so hasenfüßig bin wie Lillemor. Sie hast du wahrscheinlich ziemlich leicht da gehabt, wo du sie haben wolltest. Pah!«
    Es war grotesk. Und dann fing sie auch noch lauthals zu lachen an. Ich sah Gold, aber kein Amalgam. Das hatte sie vorne wohl durch Jacketkronen ersetzen lassen.
    »Das ist ja alles schlau ausgedacht«, sagte sie. »Mit deinem Aussehen würdest du nie ein Buch unterbringen – und wie du schon angezogen bist! Latschst in fleckigen Strickjacken und ausgetretenen Schuhen herum.«
    »Das hängt ja wohl nicht vom Aussehen ab«, entgegnete ich und klang bestimmt lahmer, als ich dachte.
    »Ach nein? Schau dir deine schriftstellernden Kolleginnen an. Wie die aussehen!«
    In diesem Augenblick hatte ich an anderes zu denken, aber später blätterte ich mal das Literaturhandbuch durch und dachte über Astrids Aussage nach. Ich wusste jetzt, dass ich hätte sagen müssen, es handle sich um Lillemors Kolleginnen, nicht meine.
    »Wir gehen jetzt auf die Altane hinauf und genießen die Abendsonne«, sagte sie. »Du darfst das Tablett tragen und zwei zusätzliche Tonics aus dem Kühlschrank holen.«
    Diese Altane war ein Balkon mit Liegestühlen, deren Bezug wie Segeltuch aussah. War dieser auch steif, so war doch die Füllung weich, und wenn man sich setzte, musste man sich mit dem Stuhlrücken nach hinten lehnen. Ich hatte das Gefühl, nach unten zu sinken, und kam mir vor wie beim Zahnarzt. Astrid plapperte fröhlich über alle Vorteile und Reize von Gärdsbacken, die sie jedoch inzwischen satthabe.
    »Kleinbürgerlich«, erklärte sie. »Kontrolliert, weißt du. Kurt liebte das hier. Ich möchte eigentlich gern etwas gefährlicher leben.«
    Und dann sah sie mich an, als hätte sie gesagt: So wie du.
    »Ach ja«, sagte sie und trat ans Geländer. »Hier breitet es sich aus, das Leben, das Kurt haben wollte. Mit Rhododendren und Tagetes.«
    Als sie so mit dem Rücken zu mir stand, zum Geländer gebeugt und nur auf einen Fuß gestützt, während der andere mit dem Schuh wippte, begriff ich, dass dies meine Gelegenheit war. Ich brauchte nur lautlos aufzustehen und zu überprüfen, ob in irgendeinem der Gärten ringsum Leute waren oder ob man in den Fenstern Gesichter sah. Es war aber wahrscheinlich nirgends jemand, denn als wir heraufkamen, war kein Mensch zu sehen gewesen. Nur Rhododendrenbüsche und Tagetestöpfe. Vor allen Fenstern hingen irgendwelche faltigen Tüllrollos.
    Nun sollte ich vorgebeugt, fast kriechend und ganz leise hingehen und sie bei den schmalen Fesseln packen. Sie hatte wirklich hübsche Beine. Mit festem, raschem Griff sollte ich sie übers Geländer kippen. Unten lagen die Marmorplatten der Terrasse.
    Und wenn sie davon nicht starb?
    Ich kam gar nicht erst aus dem Stuhl. Er war wie eine Falle. Als wir gehen wollten – weil das Tonic zu Ende war –, musste ich mir von ihr aufhelfen lassen. Wir verließen das Obergeschoss, und träge dachte ich, wenn ich aus ihrem Holz geschnitzt wäre, würde ich sie jetzt die Treppe hinunterstoßen. Aber wahrscheinlich wäre sie auch davon nicht gestorben. Lähmende Mutlosigkeit hatte mich ergriffen. Mein Blut war wie kalter Fischsud.
    Mitten in diesem elenden Zustand kam mir jedoch die Idee. Sie entstand in meinem Kopf wie die Eingebung zu einem Roman. Und sie war gut. Ich brauchte nicht mal ihre Solidität zu prüfen.
    Ich würde Astrid unter den Tisch saufen. Oder richtiger gesagt, tief ins Sofa. Wenn sie dort eingeschnarcht wäre, käme für mich die Stunde des Handelns. Und diese Handlung wäre so diskret, so nahezu unmerklich, dass ich nicht davor

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