Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
wünschte dann, er hätte seinen Mund gehalten.
„Wir werden ihn und seinen Begleiter der weltlichen Gerichtsbarkeit zuführen. Sie sind aus einem Bordell geflüchtet, in dem ein Mord verübt wurde. Ich lasse die Gendarmerie informieren. Ich will“, das Lächeln des Priesters war wie in Stein gemeißelt, „dieses dämonische Fräulein Thernow haben, mitsamt der dazugehörigen Hexe. Wird Ihr Krimineller uns über seine Fortschritte bei der Suche nach den Frauen Bericht erstatten?“
Bruder Anselm sah nicht überzeugt aus.
„Ich weiß es nicht. Es war keine Zeit, ihm dezidierte Anweisungen zu geben. Es ist immerhin möglich, dass er sie, so er sie findet, einfach umbringt.“
„Das wäre“, sagte Pater Bonifatius ein wenig traurig, „wirklich schade, wo sie uns doch so viele neue Einblicke in die Handlungsweisen des Bösen verschaffen könnten.“
Kapitel 19
R ichard von Rosberg spürte , wie der Wind an seinen Ohren vorbeizog. Es war gut, so schnell zu sein. Die Nacht war viel heller als sonst, doch irgendwie auch genauso, wie sie sein sollte. Unendliche Graustufen fanden sich auf einem Untergrund aus Silber.
Er übersprang einen weiteren Zaun, landete ungeschickt auf einem offenen Fass und riss es mit um. Es zerbarst zum Teil, verstreute seinen Unrat, der nach der widerlichen Intensität menschlicher Abfallprodukte roch. Er fiel und rollte sich ab. Kam auf Händen und Füßen zu stehen. Warf sich herum und sah hinter sich. Waren sie noch hinter ihm her? Und was, wenn ja? Machten sie sich über ihn lustig? Sollte er ihnen die verdammten Flügel vom Körper reißen und ihre fedrigen Bälge zerfetzen?
Das wäre ein gutes Gefühl. Die Antwort und Lösung, auf die er hoffte. Die Vorstellung blockierte eine Weile sein Denken. Er kämpfte gegen die Bilder in seinem Kopf.
Dann kauerte er sich auf den matschigen Boden eines Hinterhofs und versuchte zu denken. Sein Gehirn war wie Sirup. Gedanken tröpfelten langsam hindurch und klebten fest, bevor er noch zu vernünftigen Schlussfolgerungen kommen konnte. Die Vögel. Er musste den Vögeln fernbleiben. Sie waren der Feind. Mit dieser Maxime war er aufgewachsen. Seine Mutter hatte er nie gekannt, doch sein Vater hatte das Gebot immer und immer wieder wiederholt, wie eine Liturgie. Erklärt hatte er das nicht.
Heute hatten sie ihn fast erwischt. Und es ging ihm gar nicht gut. Er war einfach nicht … er war kein …
Was er nicht war, entglitt ihm, und er schickte ein frustriertes Heulen durch die Nacht. Seine Stimme schallte von den Mauern der Stadt wider. Er war in der Stadt. Hier sollte er nicht sein. Zu gefährlich.
Doch meist kamen die Vögel auch nicht hierher. Er blickte hoch zum Nachthimmel. Keine Sterne. Auch der Mond war nicht durch die Wolkenschicht zu sehen.
Aber der Mond war nicht sein Meister. „Schau auf den Boden“, hatte sein Vater ihm beigebracht. „Wir sind alle Teil dieses Bodens und tragen sein Vermächtnis in uns.“ Erklärt hatte er auch das nicht.
Richard schüttelte den Kopf, um den Klang der alten Stimme zurück in sein Gedächtnis zu verbannen. Vorbei war vorbei. Nur das Jetzt war von Interesse. Das Jetzt hatte sich in seinem Geist verklemmt und öffnete wie in einem Album ein seltsames Bild nach dem anderen. Stimmen, die immer weniger verständlich wurden; Menschen – und Macht. Rohe, gewaltsame Kraft.
Was für ein unglaubliches Debakel! Die Worte schwammen durch seine vernebelten Hirnwindungen, als suchten sie, ihre eigene Bedeutung wiederzufinden, die eben noch greifbar gewesen war. Doch im Widerhall fand sich nur Schreien und Gebrüll.
Eine Hand hob er nun von der Erde und berührte seinen Mantel. Das Material fühlte sich steif und kalt an, und es gelang ihm nicht, es von sich zu schütteln. Es schien Teil von ihm zu sein, angewachsen wie ein Pelz.
Er nestelte ungeschickt an einem Knopf herum, der irgendwie zu klein für seine Pfote war. Hand, korrigierte er sich. Nicht Pfote. Das war wichtig. Nach einer Weile gab er es auf. Für alle Dinge unter dem Firmament gab es eine richtige Zeit. Vermutlich auch für Knöpfe.
Er spürte ein seltsames Verlangen und versuchte, es zu ignorieren. Die Nacht selbst schien es in ihm ausgelöst zu haben. War Paarungszeit? Oder war er einfach nur hungrig? Er wollte – was genau er wollte, wusste er nicht, doch das Wollen selbst war deutlich und klar. Wollen. Er spürte es wie einen Puls in seinem Hirn und seinen Lenden schlagen. Und natürlich auch in seinem Magen.
Die Frau war so
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