Schwingen des Vergessens
Herzen breit, sie hatte sich so viel erhofft. Viel zu viel.
„Sicher hat er das mit meinem Namen bestimmt nur erfunden, er wird nicht kommen“, flüsterte sie leise in sich hinein und packte ihre schwarze Tasche fester. Bevor sie um die Ecke bog, blickte sie noch ein letztes Mal auf die Schule. Beim Eingang stand niemand, im Schulhof nicht, am Parkplatz genau so wenig. Plötzlich spürte sie eine eiskalte Hand auf ihrer Schulter, ein Schrei entwich aus ihrer Kehle. Blitzschnell wirbelte sie herum, hinter ihr stand ein Junge. Er war etwas kleiner wie Amelie, doch sie trug schließlich High Heels. Seine Haare waren schwarz wie die Nacht und fielen ihm wirr ins Gesicht, dieses war blass. Würde er nicht normale Klamotten tragen, hätte das Mädchen gedacht, er wäre ein Vampir. Zaghaft hob er die Hand. Es war Damian!
„Hi, weißt du, wer ich bin?“, fragte er freundlich und nahm die Hand von ihrer Schulter. Hinterließ dort allerdings ein beinahe schmerzhaftes Brennen.
„Ähm ja, bist du Damian?“
„Ja, wie du siehst bin ich anscheinend doch kein Perverser“, lachte er, doch Amelie konnte nicht so wirklich mitlachen. In ihr drin hatte sich alles versteift, nicht etwa wegen seinem gruseligen Aussehen, sondern alleine wegen seiner Anwesenheit. Nie hätte sie gedacht, dass aus dem strebermäßigen Chat so ein Junge entschlüpfen könnte.
„Das weiß ich noch nicht genau, aber ja, ich glaube du hast Recht“, gab sie nervös zurück und atmete ein paar Mal tief durch.
„Beruhig dich, er ist ein normaler Junge. Tief durchatmen“, redete sie sich selbst zu und dachte an fallenden Schnee, an einen sich kräuselnden Teich und an einen flatternden Schmetterling. Immer nur dieselben Gedanken und tief durchatmen. Es half.
„Hörst du mich? Ich fragte, ob wir etwas herum gehen“, durchbrach Damian die Mauer der Gedanken und setzte sich ohne weitere Worte in Bewegung. Leise schritten sie nebeneinander her. Fieberhaft suchte Amelie nach einem Gesprächsthema, im Chat war es noch so einfach gewesen, beinahe zu leicht. Zum Glück rettete der schwarzhaarige Junge die Stimmung: „Hmm… Ja, eigentlich wollte ich mich mit dir treffen, um dir was zu zeigen. Übers Foto geht es schließlich nicht so gut und ich finde es auch persönlich toller.“ Sofort wurde das Mädchen wieder misstrauisch, sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was er von ihr wollte. Wenigstens war der Typ ungefähr gleich alt wie sie, also würde er hoffentlich nichts Böses im Schilde führen.
„Und was willst du mir zeigen?“
„Ich höre im Ton deiner Stimme, dass du Angst hast, nein, eigentlich will ich dir nicht direkt was zeigen, ich muss dir etwas wichtiges sagen, was wahrscheinlich dein ganzes Leben verändern wird“, widersprach Damian, Amelie hob verwundert den Kopf. Wortlos bog er auf eine Hauptstraße und zweigte ein paar Minuten später in ein enges Gässchen ab. Nervös schüttelte sie mit dem Kopf, sie wollte bei der Menschenmenge bleiben, dort könnte ihr Unknown nichts antun. Schließlich seufzte er und ein paar Momente später standen sie inmitten eines riesigen Shoppingplatzes. Seine Blicke verrieten genug, er fragte sie, ob es hier okay wäre. Das Mädchen nickte und deutete kurzerhand auf ein kleines Café in dem sie mit Caro öfters war.
„Okay, ich muss dir was erzählen, da ich nicht glaube, dass du es mir abkaufst, mache ich es hier vor dir“, stotterte er. „Und wenn du es mir dann immer noch nicht glaubst, muss ich es dir halt noch zeigen, aber dafür müssen wir dann wirklich irgendwo alleine sein.“
„Alles was in der Menge geht, ist für mich okay, den Rest kannst du mit einem anderen Mädchen erledigen“, zischte sie unruhig und ließ sich auf einem geblümten Plastiksessel nieder. Die Kellnerin war anscheinend mehr als nur beschäftigt, sie huschte umher und bemerkte die zwei Jugendlichen nicht einmal, umso besser für Amelie, sie hatte kein Geld dabei. Ihr blieb nur noch übrig, darauf zu hoffen, dass Damian sie einladen würde.
„Dann los geht’s. Bestimmt fragst du dich, ob ich noch was herausgefunden hab, oder? Leider nicht, es ist sehr schwer, irgendwo was zu finden, ohne deinen früheren Namen zu wissen. Aber bis jetzt hab ich immer nur dieses Gekritzel gefunden. Jemand muss da wirklich gute Arbeit geleistet haben.“ Er klopfte sich selbst an die Brust, Amelie legte verwundert den Kopf schief. „Schon gut, schon gut. Du wirst es alles verstehen, wenn du mir jetzt zuhörst. Gleich von Anfang an,
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