Schwingen des Vergessens
haben, das dich bis an dein Lebensende plagt“, lachte Amelie künstlich und ignorierte seine nervösen Blicke völlig. Im Inneren wollte sie, dass er genauso leiden würde wie sie selbst. „Wie war eigentlich dein Gespräch bei Lanicel?“ Sichtlich erleichtert, dass das Mädchen das Thema gewechselt hatte, antwortete er: „Es war toll, ich hab die Aufgabe bekommen, bei dir in der Zelle zu leben, damit du nicht auf blöde Gedanken kommst.“ Nein, das würde er nicht tun. Das war das letzte, was Amelie wirklich wollte. Damian sollte woanders bleiben, aber bestimmt nicht bei ihr.
„Ich will nicht, dass du hier bleibst, du kannst gerne woanders hin, aber hier will ich alleine sein“, widersprach sie zornig und hämmerte an die Zellentür. „Dieses Schwein braucht nicht hier bei mir sein, das erlaube ich nicht.“ Keine Antwort, nur ein Grunzen und ein darauffolgendes, hämisches Lachen.
„Das tut mir leid, glaub mir, ich will auch nicht in einer Zelle leben, aber ich rede mit Lanicel, dass wir zwei Hübschen eine bessere Unterkunft kriegen“, witzelte er und betrachtete neugierig ihre weißen Haare, die nun auch in ihrer menschlichen Gestalt so blieben.
„Ich bleib aber gerne hier. Du kannst ruhig ein Zimmer beziehen, das deinesgleichen würdig ist. Wie wär es mit 'da draußen'?“, gab Amelie stur zurück und band ihre Haare, so gut es ohne ein Haarband ging, nach hinten zurück.
„Sagt die Person, die in einer winzigen Zelle sitzt?“ Damian grinste höhnisch und versank anscheinend in Gedanken. „Du bist die einzige in ganz Icasan, die sich in ihre menschliche Gestalt verwandeln kann. Das liegt wahrscheinlich daran, dass du schon zum zweiten Mal hier bist.“
„Was redest du da? Du lügst!!!“, rief Amelie aufgebracht und verwandelte sich blitzschnell wieder zum Dämon. Der Tagebucheintrag knisterte kurz in ihrem engen Kleid, das ihr nicht einmal bis zum Knie reichte. Auf der Erde hatte sie Kleider nie gemocht, überhaupt so kurze gefielen ihr nicht wirklich.
„Nein, was würde es mir bringen, dich anzulügen? Gar nichts. Ich finde, es wird Zeit, dir die Wahrheit zu erzählen.“
„Was für eine Wahrheit? Sie interessiert mich nicht, du hast mich die ganze Zeit angelogen und das bleibt jetzt auch so. Ich werde dir ohnehin nicht verzeihen, kapier das doch endlich.“ Wütend stieß sie sich vom Boden ab und flog blitzschnell wie ein Adler nach oben hin weg. Damian hob sich lachend in die Lüfte und folgte dem Mädchen. Es war deutlich zu sehen, dass sie keine Chance hatte, ihn zu übertreffen. Er besaß schließlich jahrelange Übung, sie war bis jetzt erst zweimal geflogen, das erste Mal wurde sie allerdings ferngesteuert.
„Du hast keine Chance, versteh das doch“, grinste er und vollführte eine perfekte Drehung. Ein leises Raunen drang aus den Zellen, Amelie fühlte richtig deren Neid. Es musste schrecklich sein als Dämon oder Engel nicht fliegen zu dürfen. Wenn das Mädchen es wirklich bedachte, hatte sie mit der Lage ihres Verlieses Glück gehabt, doch eine Ahnung kam in ihr hoch, die ihr nicht gefiel. Eilig schob sie den Gedanken zur Seite und schoss in die Tiefe weg. Nur Damian nicht in die Augen schauen, das war ihr Ziel. Er sollte zumindest fühlen, dass sie nichts mehr von ihm wissen wollte.
„Es ist mir egal, ob du schneller bist, ich will einfach nur alleine sein!“ Damian schoss an ihr vorbei und fing sie von unten ab. Anscheinend wollte er ihr alles in der Luft erzählen.
„Du bist gestorben, versteh es doch endlich“, rief er mit einem anderen Ton, schon eher verzweifelt.
„Reden wir unten“, schlug Amelie vor und gab sich somit geschlagen, denn die Kraft hatte sie bereits schneller als gedacht verlassen. Sie würde noch genug Zeit mit Damian verbringen, das war Lanicels Plan. Es war so logisch, dass er die beiden näher bringen wollte, um den Junge als Druckmittel zu verwenden, doch das wollte sie selbst nicht zulassen. „Nun, rede!“ Unten angekommen blickte sie um sich und ließ sich auf dem ungemütlichen Bett nieder, es war allerdings viel besser als das von Valerie.
„Lanicel hat es mir gerade davor erzählt, sei mir nicht böse, jedoch wusste ich es zuvor auch nicht. Ich erzähle dir die Geschichte, wie sie war, einverstanden?“ Amelie nickte zögernd und lehnte sich an die kalte Wand. Draußen wurden die Wachen ruhiger, anscheinend wollten sie unbedingt mithören...
„Dann leg los, aber rede leise, ein paar Trottel da draußen wollen lauschen.“ Leises Grunzen
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