Schwingen des Vergessens
alles.“ Nein, er musste gelogen haben, spätestens jetzt. „Wenn du nicht gelogen hast, dann stimmt auch, dass ich zurück auf die Erde kann. Und gerade bist du dabei, mir zu sagen, dass ich es nicht einmal aus dem Sarg schaffe.“
„Es wird nicht nötig sein, dass du aus dem Sarg raus kommst. Es geht darum, dass du auf die Erde zurück kannst, aber nicht in deiner Gestalt. Das Portal nimmt alles von dir weg, was nicht hinter den Toren deiner Erinnerungen liegt.“
„Was meinst du mit ‚Toren der Erinnerungen‘?“
„Lass mich einfach mal ausreden. Ich meine damit, dass der Weg durch das Portal dein Aussehen ändert. Da du ein weißhaariger Dämon, ein Serawa, bist, darfst du deine Erinnerungen und deine Persönlichkeit behalten, deine Gestalt jedoch nicht.“ Seine Worte saßen tief, auch wenn er es wahrscheinlich gar nicht wollte.
„Das heißt, ich erwache irgendwo in irgendeiner anderen Person, erinnere mich zwar noch an Icasan und an…dich, aber ich muss ganz von vorne anfangen?“
„Genau. Es steht dann die Frage, ob du das willst. Denk einmal an deine Mutter, an Caro. Sie würde dir nie glauben, dass du ihre adoptierte Tochter bist. Ich weiß, du hättest die Chance ein neues Leben anzufangen, aber ich glaube nicht, dass es das ist, was du willst.“ Amelie schüttelte den Kopf, warum hatte er ihr das nicht schon vorher erzählt? Dann hätte sie sich niemals die Mühe gemacht, überhaupt zum Portal zu kommen.
„Nein, das will ich wirklich nicht. Und was ist dann der Plan?“
„Das ist jetzt deine Entscheidung.“
„Ich glaube, ich will…“, sprach das Mädchen leise, brach allerdings gleich wieder ab. Was wollte sie eigentlich? Ganz bestimmt wollte sie nicht ihr ganzes Leben neu aufbauen, ohne irgendetwas. Andere würden diese Chance vielleicht sogar nutzen, doch für sie schien sie mehr als nur unvorstellbar. Der einzige Grund, warum sie zurück auf die Erde wollte, war Caro. Doch so würde ihr das gar nicht weiterhelfen. Nervös kaute sie auf ihrer Unterlippe herum und sah sich um. Um sie herum herrschte immer noch reges Treiben, keiner beachtete das kleine Mädchen, das unentwegt die Tränen von ihrer Wange wischte. Trotzdem gehörte sie nun hier hin, Icasan war ihr neues Zuhause und würde es auch bleiben. „Besteht die Chance, dass ich mit Caro irgendwie noch einmal Kontakt aufnehmen kann?“ Damian nickte langsam, war sich aber anscheinend nicht sicher, worauf sie genau hinaus wollte. Das war sie selbst allerdings auch nicht.
„Warum fragst du?“
„Wenn ich hier bleibe, will ich zumindest noch ein letztes Mal mit ihr reden.“
„Ich verstehe.“
„Nein, tust du nicht, aber du wirst mir trotzdem helfen, denn nur dann nehme ich das Amt als Herrscherin an.“ Erneut vollführte er ein paar zustimmende Kopfbewegungen und seufzte erleichtert. Womöglich hatte er sich mehr Geheule, Angst, Verzweiflung, Enttäuschung und vor allem Hass erwartet.
„Irgendwas stimmt da nicht, ich finde, das klingt alles viel zu leicht.“
„Denkst du tatsächlich, dass es einfach wird?“ Amelie dachte kurz über seine Frage nach. Ihr Plan klang mehr als nur simpel, ließ man das Risiko weg würde es beinahe ein Spaziergang werden. Trotzdem fehlte der Haken an der ganzen Sache, denn den gab es immer.
„Irgendwas kann da nicht passen. Warte mal… Wir gehen zu Lanicel, töten ihn und ich werde Herrscherin. Das klingt so einfach, aber das ist es nicht, oder?“
„Nein, natürlich nicht. Da zählt noch viel mehr dazu. Vielleicht würden wir es schaffen, Lanicel zu töten, aber was danach kommt, ist die Frage. Stell dir mal vor dein Herrscher wird von einem Amokläufer ermordet, der dann gleich darauf die Herrschaft haben will. Was würdest du tun? Ich zumindest würde mich immerhin eine Zeit lang wehren. Des Weiteren würde es nichts bringen, ihn zu töten. Schließlich kommt er dann wahrscheinlich irgendwann wieder, seine Persönlichkeit bleibt ja, wie du weißt. Auch wenn wir es schaffen würden, würden wir irgendwann wieder Probleme mit ihm bekommen, das ist klar.“ Er hatte Recht, nachdenklich setzte das Mädchen ihren Weg fort, schließlich konnten sie nicht ewig hier herum fliegen. Da kamen die Probleme. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, jetzt hatte sie welche und musste sie lösen.
„Was sollen wir sonst tun? Wir können ihn schließlich nicht gefangen nehmen, dann würden seine gesamte Gefolgschaft zusammen helfen, um ihn wieder zu befreien und dann wären wir
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