Schwur der Sünderin
Liebsten, dass sie Johann suchen soll. Ullein kennt und hasst ihn und hat mich deshalb einsperren lassen. Er will sich an Johann rächen.«
Erstaunt blickte Gabriel Veit an. »Wir haben angenommen, dass Ullein sich an den Hofmeisters rächen will.«
»Das auch! Aber Johann müsst ihr finden. Nehmenich soll Ullein mein Schwert bringen. Ihr dürft es ihm nicht geben«, bat Veit und schloss ermattet die Augen.
»Trink das Gebräu, dann wird dir leichter werden«, versprach Gabriel und hob Veits Kopf leicht an.
Veit verzog keine Miene und trank das Gefäß mit dem bitter schmeckenden Wasser leer. Kurz darauf fiel er in einen gnädigen Schlaf.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte Fleischhauer aufgeregt. »Ullein könnte jeden Augenblick hier auftauchen.«
Anna Maria knetete gedankenverloren den Teig auf dem Küchentisch, als ihre Nichte Christel schimpfte: »Tante, du hast versprochen, dass ich mit dir backen darf. Jetzt dürfen die Buben die Äpfel schälen.«
Nikolaus, ihr Onkel und Anna Marias jüngster Bruder, streckte Christel die Zunge heraus, während Gabriels Sohn Fritz laut lachte. »Wir können nichts dafür, dass du noch so klein bist und kein Messer halten darfst«, neckte Hausers Sohn Florian das Mädchen. Wütend warf Christel Mehl nach ihm.
»Vertragt euch«, bat Anna Maria und strich sich mit einer fahrigen Bewegung die Haare aus dem Gesicht. Als die Kinder nicht hörten, wies sie sie streng zurecht: »Ich will keinen Streit hören.«
Mürrisch verrichtete Christel ihre Arbeit, während die Buben sie mit Grimassen ärgerten.
Anna Maria stöhnte leise auf. Sie hatte gehofft, dass das Backen sie ablenken würde, doch ihre Gedanken schweiften weiter zu Veit und Gabriel.
Unerwartet betrat Annabelle die Küche und blickte unsicher umher. Sie hielt sich den Bauch, der in den letzten Tagen gewachsen war und wie eine Kugel aussah. Fragend schaute Anna Maria auf.
»Ich brühe mir einen Kräutersud auf. Möchtest du auch einen Becher haben?«, fragte Annabelle.
Anna Maria nickte.
Seit Annabelles Gefühlsausbruch am Hochzeitstag hatte kaum jemand mit ihr gesprochen. Meist hielt sich die junge Frau in ihrer Kammer auf, und selbst Peter redete nur das Nötigste mit ihr.
Anna Maria schielte von unten hoch und fragte ihre Schwägerin beiläufig: »Wie geht es dir und deinem Kind?«
Annabelle, die Christel zusah, wie sie Teig auf zwei Bleche verteilte und ausrollte, ächzte leise: »Du siehst selbst, dass ich rund wie eine Kuh geworden bin.«
Anna Maria musste bei dem Vergleich grinsen, doch als sie in Annabelles Gesicht blickte, wurde sie ernst.
»Wann wirst du mit deinem Vater abreisen?«, wollte Anna Maria wissen, als die Schwägerin ihr einen Becher mit Sud reichte. Annabelle zuckte mit den Schultern und setzte sich in die Nähe des Herdfeuers. Sie vermied es, aufzublicken, und starrte in ihren Becher.
Weil Anna Maria keine Antwort bekam, wandte sie sich ihrer vierjährigen Nichte zu, die nun friedlich gemeinsam mit Florian, Fritz und Nikolaus Apfelscheiben zu einem Muster auf den Teig legte. Nachdem Christel verquirltes Eigelb über den Kuchen gegossen hatte, lobte Anna Maria die Kinder und bat: »Zieht eure Stiefel und Umhänge an und bringt die beiden Kuchenbleche hinüber zu Lena ins Backhaus. Dort dürft ihr von den warmen Teigtaschen naschen.«
Jubelnd stürmten die Kinder hinaus und zogen sich an. An der Tür reichte Anna Maria Florian und ihrem Bruder Nikolaus jeweils ein Backblech. »Geht langsam, damit ihr nicht hinfallt«, ermahnte sie die Burschen. »Und du, Fritz, hältst Christel an der Hand fest.«
Anna Maria ging zurück in die Küche und setzte sich Annabelle
gegenüber. »Endlich Ruhe im Haus«, sagte sie lächelnd und schlürfte ihren Sud.
»Wann wird Vater zurück sein?«, fragte Annabelle und schaute auf.
»Ich hoffe, bald«, flüsterte Anna Maria. »Sonst werde ich verrückt!«
Mit ernster Stimme sagte Annabelle: »Ich habe die letzen Tage nachgedacht und möchte mich bei dir entschuldigen.«
Anna Maria blickte sie erstaunt an, sagte aber kein Wort. Annabelle räusperte sich und erklärte: »Ich hoffe, du verstehst meine Angst. Ich kann nicht nur an mich denken, sondern trage auch die Verantwortung für mein Kind. Außerdem habe ich meinen Mann verloren …«
Weiter kam Annabelle nicht, denn Anna Maria unterbrach sie wütend. »Ich kann es nicht mehr hören«, zischte sie. »Immer dreht sich alles nur um dich! Erwäge, Annabelle, was du von dir gibst, denn nach dem
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