Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwur der Sünderin

Schwur der Sünderin

Titel: Schwur der Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
Vom Netzwerk:
an einem geplünderten Kloster vorbeigekommen, das inmitten eines Weinbergs lag und von Rebstöcken umgeben war. Schon von weitem erkannten sie die Rauchsäule, die aus dem Klosterinnern aufstieg.
    Anna Maria würde niemals den Anblick vergessen, der sich ihnen bot. Bereits außerhalb der Klostermauern konnte man die Verwüstung erkennen. Drinnen waren alle Nonnen Opfer purer Mordlust geworden  – so auch Schwester Bernadette und Gabriele, die in dem Kloster gelebt hatten.
    Bei diesen Gedanken seufzte Anna Maria und schob den Teller
mit dem unberührten Essen zur Seite. Sie legte den Strohsack auf den Boden und breitete ihren Mantel darüber. Die Decke schlang sie um ihren Körper, legte sich nieder und schlief im gleichen Augenblick ein.
    Nach einer unruhigen Nacht erwachte sie. Sie war im Schlaf immer wieder aufgeschreckt, da sie im Traum die Gesichter der ermordeten Nonnen verfolgt hatten. Als sie am frühen Morgen das Kloster verließ und sich die Pforte hinter ihr schloss, war sie den beiden Zisterzienserinnen zwar dankbar für die Unterkunft, aber auch froh, die Abtei verlassen zu können.
    Der Wächter am südlichen Tor von Baden, den Anna Maria nach dem Weg befragte, erklärte ihr, dass Offenburg zwei Tagesmärsche entfernt liege.
    »Welchen Ort könnte ich bis zum Einbruch der Dunkelheit erreichen?«, fragte Anna Maria.
    Der Mann blickte zum wolkenlosen Himmel empor und meinte: »Wenn das Wetter hält, könntest du es bis Appenweier schaffen. Von dort ist es nur noch ein Katzensprung bis Offenburg.« Er beschrieb Anna Maria die Richtung und nannte ihr weitere Ortsnamen, die auf ihrem Weg lagen. Sie bedankte sich und ging frohen Mutes weiter.
     
    Schon bald musste sie feststellen, dass der blaue Himmel nicht das hielt, was er versprach. Eisiger Wind trieb ihr die Tränen in die Augen.
    Anna Maria war sehr früh am Morgen aus Appenweier aufgebrochen, wo sie in einer Scheune übernachtet hatte. Sie sputete sich und erblickte bereits am frühen Mittag des nächsten Tages in der Ferne Offenburg.
    Je näher Anna Maria der Stadt kam, desto mehr Menschen begegneten ihr auf der Straße. Zahlreiche Fuhrwerke, beladen mit Hausrat, Feuerholz, Baumaterial oder lebenden Tieren, ratterten über den vereisten Weg. Als die Achse eines Karrens
brach, fielen Körbe mit Hühnern herunter und zerbrachen. Rasch nutzte das Federvieh die Gelegenheit zur Flucht. Fluchend lief der Bauer den Hühnern hinterher, während die umstehenden Menschen schadenfroh lachten.
    Als Anna Maria die vielen Fuhrwerke und Menschen vor den Toren der Stadt Offenburg stehen sah, die geduldig warteten, bis sie hineingelassen wurden, überlegte sie nicht lange und fragte einen Mann, der mit einem quiekenden Ferkel unterm Arm neben ihr stand: »Ich will nach Freiburg. Kannst du mir die Richtung sagen?«
    Der Mann musterte sie mit unverschämtem Blick und fragte: »Was will solch ein Prachtweib in Freiburg? Bleib hier bei mir. Ich spendiere dir einen Krug Wein.« Dabei verzog er seinen Mund zu einem breiten Grinsen, sodass Anna Maria seine schwarzen Zähne erkennen konnte.
    Angewidert wandte sie sich ab und ließ den Mann stehen.
    Als Nächstes fragte sie eine Frau und war froh, als diese ihr die Richtung weisen konnte. Verärgert über sich selbst, da sie unnötige Zeit vor den Toren der Stadt Offenburg verbracht hatte, stapfte sie los.
     
    Anna Maria durchwanderte zunächst weiter die breite Ebene am Fuße des Schwarzwaldes, an dessen Hängen Tannenwälder bläulich schimmerten, da der Winter sie mit einer Eisschicht überzogen hatte, und bog dann in ein langgezogenes Tal ein. Weit oben auf den Anhöhen konnte sie vereinzelte Gehöfte erkennen. Der Wald um diese Häuser war meist kahlgeschlagen, und breite Schneisen führten von dort ins Tal hinunter. Nirgends waren Menschen anzutreffen.
    Je weiter Anna Maria kam, desto unsteter wurde das Wetter. Der Wind trieb dunkle Wolken vor sich her, sodass sie ein Stoßgebet zum Himmel sandte, dass es nicht schneien möge.
    Sie hatte Glück. Der Schnee blieb aus, bis sie den Ort Seelbach
vor sich sah, doch dann setzte leichtes Schneetreiben ein. Als Anna Maria eine alte Bauersfrau aus dem Wald kommen sah, lief sie auf sie zu.
    »Mütterlein«, rief sie der alten Frau zu, die schwer an einem Rückenkorb mit Feuerholz trug. »Kannst du mir sagen, wo ich mich wärmen kann?«
    Die Frau schien nichts zu begreifen, denn sie blickte aus trüben Augen die junge Frau fragend an. Anna Maria zeigte ihr daraufhin mit einer

Weitere Kostenlose Bücher