Schwur der Sünderin
klagte: »Ich kann dir nicht sagen, wie …«, zischte Ullein:
»Halt’s Maul und streck dich aus. Vielleicht klart das deinen Kopf auf.«
Da der Alte unfähig war, sich allein zu bewegen, fasste Ullein ihn unter die Arme und versuchte ihn hinzulegen. Doch da jaulte der Mann laut auf. Erschrocken ließ Ullein von ihm ab und wich zurück. Sein Vater hing schief im Bett, und sein Kopf sackte wieder auf seinen Brustkorb. Er pfiff, als ob er keine Luft bekäme, und hatte anscheinend keine Kraft mehr, den Kopf zu heben.
Der Förster schielte von unten hoch zu seinem Sohn und zischte: »Der Ball springt in meinem Leib auf und ab und ist jetzt in meinem Kopf.« Dann fletschte er die Zähne, sodass Speichel von seinem Kinn auf die Bettdecke tropfte.
Angewidert wandte sich Ullein ab, als seine Schwester Agnes aufgeregt ins Zimmer gelaufen kam.
»Was geht hier vor?«, fragte sie ihren Bruder verärgert.
»Ich wollte Vater helfen, sich auszustrecken«, versuchte Ullein zu erklären, doch Agnes giftete sofort:
»Den lieben langen Tag höre ich von unserem Vater kein Wort des Klagens. Kaum bist du in seiner Nähe, heult er wie ein Wolf. Warum verschwindest du nicht wieder und gehst dorthin zurück, wo du die letzten Jahre gewesen bist?«
Ullein schloss für einen Herzschlag die Augen. Miststück, beschimpfte er seine Schwester in Gedanken, doch er nahm sich zusammen und sagte leise: »Ich wollte Vater eine Nachricht mitteilen, die ihn sicherlich aufmuntern wird.«
»Ach ja?«, tat Agnes gelangweilt und half ihrem Vater, sich hinzulegen. Als Ullein nichts weiter sagte, fragte sie, während sie die Decke aufschüttelte: »Was kann das schon sein?«
Ullein frohlockte innerlich, da er wusste, dass er ihre Neugierde geweckt hatte. »Ich weiß, wie wir der Hofmeister-Sippe endlich eins auswischen können.«
Agnes schüttelte den Kopf. »Was treibt dich dazu? Die Menschen haben dir nichts getan.«
»Vater mochte sie nie«, schimpfte Ullein und blickte zu dem Alten, als dieser plötzlich »Hofmeister!« murmelte.
»Hast du gehört?«, sagte Ullein und ergriff die Hand des Vaters. »Höre«, forderte er ihn milde auf, »wir haben einen Mann eingesperrt, der mit Wölfen spricht und sich zum Werwolf verwandelt.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte Agnes überrascht und griff sich vor Furcht an den Hals.
»Ein Bauer hat ihn beobachtet. Aber du musst dich nicht fürchten, Agnes, er kann dir nichts anhaben, denn er sitzt in Katzweiler im Gefängnis. Schon bald wird der Grundherr ihm den Prozess machen.«
»Was hat das mit den Hofmeisters zu tun?«, fragte die Schwester.
Stolz reckte Ullein sein Kinn nach vorn und erklärte: »Der Fremde ist Anna Marias Mann!« Dann blickte er zu seinem Vater und hoffte auf Anerkennung, aber der Alte blieb stumm.
Doch als er erschöpft die Augen schloss, meinte Ullein ein schwaches Lächeln auf seinem Gesicht zu erkennen.
Veit spürte, wie jemand über seinen Körper streichelte. Als er aufschaute, glaubte er Anna Marias Gesicht vor sich zu erkennen. Sie ist wunderschön, dachte er und lächelte, als sie ihm eine Schale an die Lippen hielt. Ohne zu zögern, schluckte er das Wasser hinunter, obwohl es bitter wie Galle schmeckte. Glücklich legte er sich zurück und schlief ein.
Als Veit Stunden später erwachte, versuchte er seine Lider zu bewegen, doch sie schienen schwer wie Blei zu sein. Auch seine Arme und Beine gehorchten ihm nicht. Was ist mit mir, dachte er und spürte, wie der Schlaf ihn erneut einlullte. Das Fieber wird an meinen Kräften zehren, ging ihm durch den Sinn, während er sich kraftlos wieder dem Dämmerzustand hingab, in dem er keine Schmerzen spürte.
Am nächsten Tag kam Veit langsam zu sich und spürte sofort, dass das schummerige Gefühl verschwunden war. Er konnte seine Augen öffnen und seine Gliedmaßen bewegen. Es geht mir besser, dachte er erleichtert, doch als er den Kopf drehte, erkannte er das Verlies. Mutlos fuhr er sich über die Stirn. »Ich bin noch immer gefangen«, stöhnte er, »und ich habe Anna Marias Gesicht nur im Traum gesehen.«
Als er hörte, wie die Zellentür aufgeschlossen wurde, stellte er sich schlafend. Er wusste, dass Ullein darauf wartete, bis es ihm besserging, um ihn dann zum Grundherrn zu bringen. Veit aber wollte Zeit gewinnen, indem er ihm vorgaukelte, dass er immer noch kraftlos war.
Der Kerkermeister betrat zögerlich die Zelle. Als er sah, dass Veit ohne Bewusstsein zu sein schien, kam er näher und hob angewidert den
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