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Schwur der Sünderin

Schwur der Sünderin

Titel: Schwur der Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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Geste, dass sie Hunger hatte. Die Alte schien sie nun zu verstehen, denn sie wies stumm zum Waldesrand. Anna Maria folgte dem knochigen Finger und erblickte eine hohe Steinmauer mit einem Gebäude dahinter. Sie bedankte sich bei der Frau und lief darauf zu.
    In dem Augenblick, als Anna Maria die Tür des Gasthauses »Zum goldenen Löwen« ins Schloss zog, setzte heftiges Schneetreiben ein.
    Das Gasthaus wurde von einer Frau betrieben, die Anna Maria warmherzig begrüßte. »Endlich ein Gast«, scherzte die Wirtin, die nur wenig älter als Anna Maria schien.
    »Bei diesem Wetter verirrt sich kaum jemand hierher«, erklärte sie lachend, als sie Anna Marias fragenden Blick sah.
    »Ich heiße Ulrike«, stellte sie sich vor, und auch Anna Maria verriet ihren Namen. Sie bestellte sich einen Teller mit gedämpftem Kohl, Brot und einen Krug Würzwein. Hungrig aß sie das Gemüse, das mit angebratenem Speck verfeinert war.
    »Möchtest du einen Nachschlag?«, fragte Ulrike.
    Anna Maria schüttelte den Kopf. »Kannst du mir sagen, wie weit es bis Freiburg ist?«
    »Bei gutem Wetter benötigt man einen ganzen und einen halben Tag, aber bei diesem Schneesturm dauert es sicher länger, vorausgesetzt, wir werden heute Nacht nicht eingeschneit.«
    Anna Maria blickte erschrocken auf. Sie wollte nicht daran denken, dass sie hier mehrere Tage festsitzen könnte. Müde
wischte sie sich über die Augen. Sie wusste, dass sie diese Anstrengungen nicht mehr lange durchhalten würde. Die stetige Kälte und die kurzen Rasten, die sie sich zugestand, zehrten an ihren Kräften. Schon jetzt kämpfte sie gegen eine Erschöpfung an, der sie sich nicht hingeben durfte.
    »Noch zwei Tage«, murmelte sie entschlossen, »dann werde ich Vater wiedersehen.«
    Die Wirtin blickte sie nachdenklich an. »Du suchst wohl deinen Liebsten?«, fragte Ulrike.
    Als Anna Maria das hörte, schossen ihr sofort die Tränen in die Augen. »Nein«, flüsterte sie. »Meinen Liebsten habe ich bereits gefunden.«
    Anna Maria erzählte der Frau mit trauriger Stimme, warum sie im tiefsten Winter mitten durch den Schwarzwald marschierte.
    Am nächsten Morgen schaute sie sofort nach draußen. Was sie sah, ließ ihre Augen leuchten, denn der Schneesturm hatte nachgelassen. Auch war der Neuschnee nicht so hoch, wie die Wirtin befürchtet hatte.
    Als Anna Maria sich von der Frau verabschiedete, überreichte diese ihr ein Stück Speck und einen kleinen Laib Brot. »Nur wer anständig isst, kommt gut voran«, sagte sie und wünschte Anna Maria Glück.
     
    Der Weg war beschwerlich, denn es ging bergauf und bergab. Anna Maria kam nur wie eine Schnecke vorwärts, da der Schnee ihr bis zu den Oberschenkeln reichte. Schritt für Schritt schleppte sie sich keuchend weiter. Irgendwann war sie so erschöpft, dass ihr alles einerlei war. Sie warf sich in den Schnee und wäre am liebsten nicht mehr aufgestanden.
    »Ich kann nicht mehr«, jammerte Anna Maria, als sie glaubte, Veits Stimme zu hören. Sie rappelte sich auf und schaute sich suchend um, aber da war niemand. Soweit ihr Blick reichte,
sah sie nichts als verschneite Wälder und Ebenen, in denen das Wasser der Bäche zu Eis erstarrt war.
    Als Anna Maria die eintönige weiße Landschaft um sich sah, riss sie die Arme in die Höhe und schrie ihre Enttäuschung, ihre Trauer und ihre Angst hinaus. Das Echo ihrer Worte war so laut, dass sie erschrocken zusammenzuckte. Erneut schrie sie und hörte dem Hall zu, bis er verstummte.
    Danach fühlte sie sich besser. Es nutzt nichts, dachte sie, ich muss weitergehen, bis ich Lehen erreicht habe.
    Anna Maria ging, bis die aufkommende Dunkelheit sie erschreckte. »In den Bergen scheint die Sonne schneller unterzugehen«, stellte sie bestürzt fest und blickte sich im schwindenden Licht suchend um. Der letzte Ort lag weit hinter ihr, und vor sich konnte sie nur dichten Wald erkennen.
    »Ich dumme Gans«, schalt sie sich. »Wo soll ich heute übernachten?« Ihr Magen knurrte laut. Auch zog der Nebel vom Tal hoch, der sie noch mehr frösteln ließ. Rasch ging sie weiter, um Schutz am Waldesrand zu suchen, als sie eine Scheune entdeckte, inmitten der Bäume versteckt.
    Anna Maria lief zitternd darauf zu und öffnete mit klammen Fingern das Tor. Als sie eintrat, ließ der Heugeruch, der in der Luft lag, ihr Herz schneller schlagen.
    »Danke, lieber Gott, dass ich nicht frieren muss«, murmelte sie und warf sich erschöpft mitten ins Heu. Der Vollmond schien durch die Zwischenräume der Dachbretter

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