Schwur der Sünderin
seinem Weg nach Mehlbach kam Fleischhauer an dem Haus vorbei, in dessen Keller sich das Verlies befand. Als er die Kutsche mit dem Käfig davor stehen sah, schwante ihm Böses. Kaum hatte er sich hinter einem Fuhrwerk versteckt, kam Ullein aus dem Rathaus, gefolgt vom Kerkermeister, der Veit in Ketten hinter sich herzog.
Fleischhauer war über Veits jämmerlichen Anblick entsetzt. Das letzte Mal war der Arzt vier Tage zuvor bei Veit gewesen, doch seitdem ließ man ihn nicht mehr zu dem Gefangenen. Veit war in diesen Tagen noch dünner geworden. Auch schien er sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben, denn er wehrte sich nicht.
Der Kerkermeister stieß Veit brutal in den Käfigwagen und verschloss die Tür mit einem großen Vorhängeschloss. Kaum hatte Ullein auf dem Kutschbock Platz genommen, rumpelte das Gefährt los.
»Verdammt«, fluchte der Arzt leise. »Ich bin zu spät gekommen.«
Kapitel 30
September 1525
Nachdem Joß Fritz und sein Gefährte Kilian in der Stadt Mömpelgard angekommen waren, hatten sie sofort bei der Residenz des Herzogs vorgesprochen. Dort erfuhren sie, dass Ulrich von Württemberg sich auf Reisen befand. Auf ihre Frage, wann mit der Ankunft des Herzogs zu rechnen sei, erhielten sie keine Antwort.
Das war mehrere Wochen her, und auch bei einem erneuten Versuch bekamen die beiden Männer weder die Auskunft, wo Ulrich sich aufhielt, noch, wann er zurückerwartet wurde.
»Herzog Ulrich von Württemberg belieben weder seine Abreise noch seine Ankunft mitzuteilen« war das Einzige, was der Diener ihnen sagte.
Kilian jubelte innerlich, denn er hoffte, dass Joß von seinem Vorhaben ablassen und sie zurückreiten würden. Aber weit gefehlt! Joß hatte sich in seinen Plan verrannt, mit Ulrich gemeinsame Sache zu machen. Er war bereit, so lange in Mömpelgard auszuharren, bis der Herzog zurückkäme.
Den beiden Männern blieb nicht anderes übrig, als ihre Abende in einem der zahlreichen Gasthäuser der Stadt totzuschlagen. Da sie stets in den gleichen Wirtsstuben verkehrten, wurden sie beim Betreten der Schankstube freundlich begrüßt. Nachdem sie ein deftiges Mahl zu sich genommen und einige Bier getrunken hatten, spürte Joß, dass Kilians Laune kippte.
»Meinst du nicht, dass wir wieder zu unseren Männern zurückkehren sollten?«, fragte Kilian gereizt.
Joß antwortete nicht sofort, doch als die schlechte Stimmung seines Gefährten auch ihn ansteckte, antwortete er ebenso mürrisch: »Wenn es dir nicht passt, kannst du gehen.«
»Aha«, brauste Kilian auf, »ich habe meine Schuldigkeit getan und kann nun verschwinden.«
Joß fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht, wobei sein Silberring im Schein des Kerzenlichts aufblitzte. »So war das nicht gemeint, Kilian. Deine schlechte Laune ist schwer zu ertragen. Wenn du nicht hier sein willst, musst du gehen.«
»Du kennst mich! Ich kann nicht wochenlang stillsitzen und nichts tun«, schimpfte Kilian. »Hast du nachgedacht, dass es einen Sinn haben könnte, warum Ulrich ausgerechnet jetzt nicht in der Stadt ist? Vielleicht will das Schicksal nicht, dass wir uns mit ihm einlassen.«
Joß lachte kurz auf. »Unsinn! Wir sind zum falschen Zeitpunkt gekommen und müssen die Wartezeit in Kauf nehmen.«
Unzufrieden nahm Kilian einen tiefen Zug aus dem Steinkrug und wischte sich mit der Hand den Schaum von den Lippen.
Joß beobachtete ihn und fragte: »Was ist der wirkliche Grund, dass du mein Vorhaben ablehnst?«
Kilian richtete seinen Blick auf Joß und sagte: »Du bist dabei, deine Seele zu verkaufen.«
»Das ist dummes Geschwätz«, erwiderte Joß.
»Ich werde deinem Erinnerungsvermögen auf die Sprünge helfen«, erklärte Kilian mit ernster Miene. »Nachdem wir von der Tragödie bei Frankenhausen erfahren haben, hast du zu unseren Männern gesagt, dass wir ›den Adel ausrotten‹ werden. Jetzt willst du dich mit einem der ihren verbünden. Ulrich ist nicht nur adlig. Jeder weiß, dass er das einfache Volk hasst. Er hat seine eigenen württembergischen Bauern politisch entmachtet und ihre Proteste blutig niedergeschlagen.«
Joß schob seinen leeren Bierkrug zur Seite und blickte seinen Freund nachdenklich an. »Du hast Recht«, stimmte er ihm zu.
Kilian wollte schon innerlich triumphieren, als Joß hinzufügte: »Recht mit dem, was du über Ulrich gesagt hast. Aber Unrecht mit deiner Vermutung über mich.«
Fragend schaute Kilian auf, und Joß erklärte: »Bei allem, was ich plane, sage oder befehle, weiß ich sehr
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