Schwur der Sünderin
genau, warum ich so handle. Ich gehe keinen Schritt unüberlegt und wage nur das, was ich im Vorfeld abschätzen kann. Das allein ist der Grund, warum ich jahrelang als Bauer unentdeckt in Mehlbach leben konnte und man mich nie gefangen genommen hat. Glaube mir, mein Freund, auch mein Vorhaben mit Ulrich habe ich wohl durchdacht. Es stimmt, dass ich ihn nicht kenne und nicht weiß, wie er sich verhalten wird, wenn ich ihm meinen Vorschlag unterbreiten werde. Es ist nicht ungefährlich, sich mit ihm einzulassen, deshalb kann ich verstehen, wenn du gehen willst.«
Kilian blickte Joß forschend ins Gesicht, dann bestellte er zwei weitere Bier und sagte: »Ich werde bleiben, bis wir mit Ulrich gesprochen haben. Dann werde ich mich entscheiden. Und ich verspreche dir, Joß, ich werde bei meiner Entscheidung keine Rücksicht darauf nehmen, was du willst.«
Anfang Oktober hieß es in den Straßen von Mömpelgard, dass der Herzog zurück sei. Doch als Joß und Kilian erneut in der Residenz vorsprachen, wurden sie wieder enttäuscht. Ulrich war in den frühen Morgenstunden mit einigen Rittern bereits wieder abgereist, da er sich mit dem Statthalter von Württemberg, Wilhelm Truchseß von Waldburg, treffen wollte, wurde ihnen dieses Mal mitgeteilt.
»Wie lange der Herr fort sein wird, kann ich nicht sagen«, erklärte der Wächter am Eingangstor.
Joß schwang sich auf sein Pferd und sagte zu Kilian: »Langsam glaube ich, dass du mit deiner Vermutung über das Schicksal Recht hast.«
Mittlerweile war die zweite Novemberwoche angebrochen, und das Wetter schlug um. Die Herbststürme, die in den letzten Wochen über das Land gefegt waren, brachten außer Regen eisige Kälte mit.
Der Wind schien auch den Herzog von Württemberg nach Hause zu wehen, denn Ulrich kam vorzeitig zurück in die Stadt.
Joß und Kilian ritten sogleich zum Schloss und baten um Einlass. Nachdem sie erklärt hatten, warum sie gekommen waren, führte man sie einen langen Gang entlang. Schon von weitem hörten sie Ulrich toben.
Als die beiden Gefährten in sein Amtszimmer vorgelassen wurden, schrie der Herzog einen Mann an, der ergeben nach unten blickte: »Ich kann nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte!
« Im gleichen Augenblick warf Ulrich einen Stapel Papiere von seinem Schreibtisch, die durch die Luft flatterten und sich im Raum verteilten. »Geh mir aus den Augen«, zischte er gefährlich leise, woraufhin der Mann durch eine Nebentür verschwand.
Joß und Kilian blieben an der Tür stehen und warteten, bis sie gerufen wurden. Erst nachdem Ulrich weitere Verwünschungen ausgesprochen hatte, schaute er zu den beiden Männern. Der Diener, der neben seinem Stuhl stand, wisperte ihm etwas zu, woraufhin Ulrich leicht die Augen zusammenkniff. Dann winkte er sie zu sich.
Während Joß auf den Herzog zuschritt, musterte er den Mann, der hinter einem wuchtigen Schreibtisch thronte und dessen listige dunkle Augen den beiden Besuchern wachsam entgegenblickten. Der Herzog hatte kurz geschorene Haare, in denen ein grauer Schimmer zu erkennen war. Seine untere Kinnpartie zierte ein modischer Bart, der im oberen Kinnbereich sowie an den Wangenseiten säuberlich ausrasiert war. Über der Oberlippe prangte ein prächtiger Schnauzer, dessen Enden Ulrich mit den Fingerspitzen zwirbelte. Seine schwarze Kleidung war die eines Edelmannes.
»Habe ich deinen Namen richtig verstanden?«, fragte der Herzog von Württemberg ohne Umschweife und schaute zwischen Joß und Kilian hin und her.
»Ihr müsst uns den Namen nennen, damit wir die Frage beantworten können«, erklärte Joß.
»Du hast sie bereits beantwortet. Nur Joß Fritz würde dem Adel gegenüber solch eine Antwort wagen«, antwortete Ulrich mit kaltem Blick.
Kilian und Joß stellten sich auf den ihnen zugewiesenen Platz. Sie wussten, dass sie sich nun vor dem Herzog verbeugen sollten. Ulrich von Württemberg schien darauf zu warten, denn er sah sie stumm an. Joß und Kilian blieben aufrecht stehen und erwiderten seinen Blick.
Der Diener, der stocksteif neben dem Herzog stand, riss empört sein Augen auf und schielte ängstlich zu seinem Regenten.
Nach einer Weile zuckte es um Ulrichs Mundwinkel, und er sagte: »Auch das hat dich verraten, Joß Fritz. Da ich keine Zeit zu verschenken habe, nenne dein Begehr, und dann verzieht euch aus meinem Blickfeld.«
Ohne Umschweife nannte Joß sein Anliegen. »Ich möchte Euch ein Bündnis vorschlagen.« Er wusste, dass dieser eine Satz über alles
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