Schwur der Sünderin
Landstreicher, Gesetzlose und Bettler werden zusammen das erreichen, was sie allein nicht vermocht haben.« Joß konnte das Glitzern in Ulrichs Augen erkennen. »Mit mir als Bauernführer
bekommt Ihr sämtliche Bauern in Württemberg auf Eure Seite. Niemand wird es wagen, Euch des Landes zu verweisen. Dafür helft Ihr mir mit Eurem Heer, dass die Bauern in der Kurpfalz und anderen Regionen ihre alten Rechte zurückbekommen.«
»Wann wirst du mit dem Werben deiner Männer beginnen?«
»Sobald das Bündnis besiegelt ist.«
Herzog Ulrich von Württemberg nickte, und das Abkommen war getroffen.
Mehrere Tage lang planten Joß und Kilian, wie sie vorgehen sollten, und stellten Nachforschungen an. Sie wollten als Erstes die Bettler im Osten und Süden des Reichs aufsuchen und von ihrem Vorhaben überzeugen.
Das Bettelvolk war wie eine Zunft organisiert und unterstand mehreren Hauptleuten, die die Bettler aus ihren eigenen Reihen erwählten. Kilian und Joß mussten diese Hauptleute von dem Bündnis überzeugen, denn nur dann würden ihnen alle Bettler folgen.
Beim ersten Hauptmann stieß Joß auf Ablehnung, als er den Namen Ulrich von Württemberg nannte.
»Er hat zwei meiner Brüder auf dem Gewissen«, presste der Mann hervor, der Joß am Lagerfeuer gegenübersaß. »Auch habe ich ihm zu verdanken, dass ich auf der Straße sitze. Dank seiner Steuererhebung konnte ich meinen Hof nicht halten.«
Joß atmete laut aus und dachte: Da habe ich gleich den Richtigen erwischt. Trotzdem gab er nicht auf und blickte dem Mann fest in die Augen.
Der Hauptmann, dessen Gesicht rußgeschwärzt war, nahm einen Stock und peitschte die Glut, sodass sie wie Glühwürmchen in der Luft schwirrte.
»Dir würde ich folgen, Joß! Aber nicht dem Herzog.«
»Ohne Ulrichs Heer haben wir keine Möglichkeit, zu siegen«,
erklärte Joß. Als er den zweifelnden Blick des Mannes sah, fügte er hinzu: »Der Herzog gibt uns das Geld, um euch für eure Dienste zu bezahlen.«
Der Mann wurde hellhörig, und Joß sagte: »Viele von uns haben ihre Angehörigen in den Wirren des Aufstandes verloren …«
Kaum hatte er das erwähnt, veränderte sich der Gesichtsausdruck des Mannes, und eine Zornesfalte entstand zwischen seinen Augen. »Erzähl mir nichts! Meine Brüder waren fast noch Kinder, als Ulrich sie in Stuttgart köpfen ließ. Ebenso wie die beiden anderen Burschen, denen der Henker den Kopf abschlug. Jörg Tiegels Mutter hat sich in der Nacht nach der Hinrichtung am Ilgenzwinger erhängt, weil sie den Anblick des abgeschlagenen Kopfes ihres Sohnes nicht aus ihren Sinnen vertreiben konnte.«
Joß schloss für einige Herzschläge die Augen. Jörg Tiegel wird mich ein Leben lang verfolgen, dachte er bekümmert.
»Nein, Joß Fritz! Mit mir und meinem Volk kannst du nicht rechnen. Du musst dir andere Werber suchen.«
Der Bundschuh-Anführer wusste, dass jedes weitere Wort zwecklos war. Joß reichte dem Mann die Hand, saß auf und ritt in der Hoffnung fort, dass er bei den nächsten Vagabunden mehr Glück haben würde.
Joß rieb sich die klammen Hände. Der Winter war im Anmarsch und würde seine Reise und seine Pläne erschweren. Verdammt, dachte er. Wir brauchen das Bettlervolk ebenso wie die Gaukler, Hausierer und die wandernden Handwerker. Nur sie können ungehindert und unauffällig das Land durchstreifen und Nachrichten hin und her schieben. Und nur sie können von Ort zu Ort ziehen und Männer anwerben.
Aber auch der nächste Bettlerhauptmann lehnte das Vorhaben des Bundschuh-Anführers ab. »Nichts für ungut, Joß«, erklärte der Anführer der Bettlerrotte. »Trenne dich vom Herzog, und wir können neu verhandeln.«
Da Joß in diesem Gespräch den Herzog noch gar nicht erwähnt hatte, wusste er, dass Bettler ihm vorauseilten, um ihre Verbündeten über sein Vorhaben aufzuklären und zu beeinflussen.
Joß gab nicht auf und ritt von Gau zu Gau, von Bezirk zu Bezirk und sprach mit den Hauptmännern der dortigen Bettlerrotten. Nur einer war bereit, sich ihm anzuschließen. Als Joß sich umsah, wusste er, warum. In diesem Bettlerstamm gab es viele Alte und Kranke. Das Geld, das sie für das Anwerben erhalten würden, wäre leicht verdient.
Joß reichte dem Hauptmann einige Münzen. Als er danach greifen wollte, hielt Joß seine Hand fest und flüsterte: »Solltest du mich betrügen wollen, werden Ulrichs Soldaten euch finden.«
Der Hauptmann, dem ein Auge fehlte, grinste breit und versprach: »Du kannst dich auf uns verlassen,
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