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Schwur der Sünderin

Schwur der Sünderin

Titel: Schwur der Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Zinßmeister
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Bewusstsein. Der Mann, der anders zu sein schien als der, den sie von klein auf zu kennen glaubte.
    »Wie wird Vater sich verhalten, jetzt, da sein Geheimnis gelüftet ist?«, fragte sich Anna Maria. Bei der Vorstellung stieg ein mulmiges Gefühl in ihr hoch. Sie verdrängte diese Gedanken, die sie belasteten, und murmelte: »Es ist mir einerlei. Vater soll mir helfen, Veit zu retten! Das ist das Einzige, was zählt.«
    Anna Maria seufzte laut auf. Ich habe geschworen, dass ich Veit aus dem Kerker herausholen werde, dachte sie, und diesen Schwur werde ich halten!
    Sie faltete die Hände zu einem stummen Gebet. Als sie spürte, wie Tränen in ihr hochstiegen, nahm sie das spitze Messer auf und fuhr energisch mit ihrer Arbeit fort.
    Kurz darauf waren alle Kastanien geschält, und sie goss Wasser über die Früchte. Nachdem Anna Maria den schweren Topf über das Herdfeuer gehängt hatte, wurden vor der Tür Stimmen laut. Sie hörte Elses Stimme, die außer sich schien und schrie: »Du dreckiger Kerl!«
    Erschrocken griff Anna Maria nach ihrem Messer und stürmte nach draußen, wo sie es sofort fallen ließ. Von einem Augenblick zum anderen zitterte sie wie Espenlaub und sackte in den Knien zusammen.
    Als sie am Boden kauerte, blickte sie auf und stammelte: »Vater!«
     
    Joß Fritz hatte sich während des langen Ritts nach Lehen vor dem Augenblick gefürchtet, in dem er seiner Tochter gegenüberstehen
würde. Damit, dass er zuerst auf Else treffen würde, hatte er nicht gerechnet.
    Kaum war Joß auf dem kleinen Hof angekommen und von seinem Pferd abgesessen, stürmte seine Frau aus dem Hühnerstall auf ihn zu und beschimpfte ihn aufs Übelste. Liebend gern hätte er sie an sich gezogen und geküsst, denn er mochte es, wenn sie wild und wütend war. Heute jedoch war er gehemmt, denn Else wusste von seinem Doppelspiel. Alles, was sie ihm vorwarf, entsprach der Wahrheit, sodass er ihr nichts entgegnen konnte, und das machte sogar einen Joß Fritz unsicher. Deshalb schwieg er zu den Vorwürfen, was Else noch rasender machte.
    Außer sich brüllte sie: »Du dreckiger Kerl!«, und wandte sich von ihm ab.
    In dem Augenblick war seine Tochter aus der Tür herausgestürmt.
    Wie ein Häufchen Elend kauerte Anna Maria nun vor ihm auf dem verschneiten Boden und blickte aus großen, traurigen Augen zu ihm auf.
    Joß ging zu ihr und zog sie in seine Arme. Er presste sie fest an sich und flüsterte: »Du bist dünn geworden, mein Mädchen.« Dann drückte er ihr einen Kuss auf den Scheitel.
    Anna Maria blieb regungslos stehen. Sie hatte Angst, dass der Zauber dieses Augenblicks durch eine Bewegung vergehen würde. Noch nie hatte der Vater sie so fest umarmt. Noch nie hatte er mit so viel Liebe in der Stimme zu ihr gesprochen.
    Hauser stand abseits und beobachtete die drei Menschen. Er konnte das Wechselbad der Gefühle deutlich in ihren Mienen ablesen.
    Obwohl Else die Enttäuschung über die Lügen ihres Mannes im Gesicht geschrieben stand, war ihr Blick liebevoll auf Joß und seine Tochter gerichtet. Gerührt beobachtete sie das Wiedersehen der beiden.

    Anna Marias Gesichtszüge verrieten Unsicherheit. Der Vater, dem sie vertraut hatte, seit sie sich erinnern konnte, war nicht der Mann, für den sie ihn gehalten hatte. Der Glanz ihrer Augen jedoch verriet die Liebe, die sie für ihn empfand  – einerlei, wie er sich nannte.
    Joß Fritz wirkte verkrampft. Er wusste, dass er seinen Kindern und seiner Frau Else Antworten schuldete, dass er sein lang gehütetes Geheimnis erklären musste. In seinen Augen aber spiegelte sich auch Erleichterung wider. Endlich konnte er der sein, der er in seinem Herzen immer war  – Joß Fritz, der Kämpfer.

    Sarah trug den Eimer mit frisch gemolkener Kuhmilch über den Hof, als ein Bursche auf sie zukam. Er war nicht älter als Hausers Sohn Florian und ebenso schmutzig wie der. Neugierig blickte er Sarah an.
    »Was suchst du hier?«, fragte sie und hielt den Eimer mit beiden Händen vor sich.
    »Ich habe eine Nachricht für den Bauern«, sagte er schüchtern.
    »Der Bauer ist nicht im Haus. Ich bin die Bäuerin, und du kannst mir die Nachricht mitteilen.«
    »Ich soll ausrichten, dass der Vater und die Tochter unterwegs wären. Kannst du damit etwas anfangen?«, fragte der Junge.
    Wieder nickte Sarah und lief los. Im Laufen rief sie dem Burschen zu: »Geh ins Backhaus zu Lena und wiederhole, was du mir gesagt hast. Sie soll dir dafür einen süßen Kringel geben.«
    Sarah lief in Tippelschritten

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