Schwur der Sünderin
werden kommen, sobald ich sie brauche. Doch erst werde ich Ullein allein besuchen.«
»Es ist spät«, erklärte Jakob und blickte zu den Frauen und Kindern.
»Du kannst in der Kammer von Veit und Anna Maria schlafen«, bot Sarah Johann freundlich lächelnd an.
»Anna Maria?«, fragte Johann erstaunt. »Lebt sie auch hier?«
»Sie ist unsere Schwester.«
»Die Seherin ist eure Schwester?«, fragte Johann ungläubig. »Dann wisst ihr ja, dass sie meine Gefangene auf Burg Nanstein war, bis sie mit meinem Bruder geflohen ist. Damals hat er mir das Schwert gestohlen, das Ullein unbedingt besitzen will«, erklärte er.
Ullein hatte schlecht geschlafen. Das Bild des gefolterten Veit ging ihm nicht aus dem Kopf, der Geruch des verbrannten
Fleischs nicht aus seiner Nase. Er stand am frühen Morgen vor der Tür seines Elternhauses und atmete die frische, kalte Luft ein, als seine Schwester neben ihm auftauchte.
»Brr, ist das kalt!«, sagte Agnes und zog sich das Tuch enger um die Schultern. Sie drückte sich an Ullein vorbei, um zum Abort zu gehen, als sie seine rotgeränderten Augen sah. »Du siehst schrecklich aus«, sagte sie.
Miststück, dachte Ullein und wollte ins Haus gehen, als sie ihm hinterherrief:
»Hast du schon gehört? Der alte Nehmenich ist verschwunden.«
Ullein blieb stehen und drehte sich ihr ruckartig zu. »Woher willst du das wissen?«
Sie lachte gehässig auf. »Das weiß der ganze Ort.« Agnes zog ihre Augenbrauen zusammen. »Du hast hoffentlich nichts damit zu tun.«
»Bist du des Teufels?«, raunzte er sie an.
Ullein trat seinem Pferd mit aller Gewalt in die Flanken, damit es schneller lief. Er wollte nach Katzweiler und Nehmenichs Frau befragen, denn er hatte den Verdacht, dass der Alte sich mit dem Schwert davongemacht hatte. »Sie weiß sicher, wo sich der Hurenbock versteckt«, sagte er zornig.
Kaum war Ullein vor der Hütte angekommen, sprang er vom Pferd und stürmte hinein, ohne vorher anzuklopfen.
»Wo ist er?«, brüllte Ullein sofort, sodass die Frau vor Schreck aufschrie. »Wo ist dein Mann?«, wiederholte er, da sie nicht antwortete.
»Ich weiß es nicht«, weinte sie und blickte Ullein verzweifelt an. »Karl ist einfach verschwunden.«
»Das glaube ich dir nicht!«
Susanna kam herein, und als sie Ullein erblickte, rief sie außer sich: »Lass meine Mutter in Ruhe und verschwinde.«
Wütend gab Ullein ihr eine Ohrfeige, sodass sie gegen die Wand stolperte.
»Ich werde erst gehen, wenn ich weiß, wo dein Vater ist.«
»Ich habe ihn nicht mehr gesehen seit der Nacht, als wir bei den Hofmeisters waren«, jammerte Susanna und hielt sich die brennende Wange.
Ullein wurde hellhörig.
»Was hast du mit dem Alten bei den Hofmeisters gewollt?«, fragte er.
Die Augen des Mädchens wurden schreckensweit, und sie schüttelte den Kopf. »Du musst dich verhört haben. Ich meinte …«
»Was habt ihr dort gewollt?«, unterbrach er sie und verpasste ihr eine weitere Ohrfeige, die sie aufjaulen ließ.
Susanna stand weinend vor ihm und schluchzte: »Vater sollte für dich das Schwert stehlen.«
»Wo ist es?«
»Sie haben uns erwischt.«
»Das glaube ich dir nicht«, sagte Ullein leise und blickte die junge Frau herausfordernd an. »Dein Vater hält sich für besonders schlau und hat sich mein Schwert unter den Nagel gerissen, um es zu verkaufen.«
»Das ist nicht wahr«, versuchte Susanna Ullein zu widersprechen.
»Dann erklär mir, warum er verschwunden ist!«
»Das wissen wir nicht!«, wisperte sie ängstlich.
»Ich kenne deinen nichtsnutzigen Vater! Wenn ich ihn erwische, dann mache ich ihn einen Kopf kürzer, so wahr ich hier stehe. Das kannst du ihm von mir ausrichten!«, brüllte Ullein und stürmte aus dem Haus.
Als er sich auf sein Pferd schwingen wollte, hielt er kurz inne, denn er hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Da Ullein jedoch niemanden sehen konnte, ritt er von dannen.
Johann hatte Ullein in sicherem Abstand nach Katzweiler verfolgt. Nachdem Ullein in der Hütte verschwunden war, schlich Johann zum Fenster und lauschte dem Geschrei.
Er wusste von Jakob und Peter, wer dieser Nehmenich war. Sie hatten ihm von dem Bauern berichtet, der Veit beschuldigte, er würde sich in einen Wolf verwandeln. Als Ullein das Haus wieder verließ, hatte sich Johann hinter dem Ziegenstall der Nehmenichs versteckt. Er blickte Ullein hinterher, wie er in Richtung Kaiserslautern ritt, und folgte ihm.
Während seines Ritts drehte sich Ullein mehrmals auf dem
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