Schwur der Sünderin
stehen lassen?« , fragte er.
Joß und Kilian traten einen Schritt zur Seite und ließen ihn herein. Kilian spähte über den Gang. Als er niemanden erblicken konnte, schloss er beruhigt die Tür und ging freudestrahlend auf Hauser zu. Beide Männer umarmten sich.
»Alter Junge«, sagte Kilian, »wie lange haben wir uns nicht gesehen?«
Auch Joß war aus seiner Erstarrung erwacht und begrüßte seinen einstigen Fähnrich. »Jacob, Jacob!«, murmelte er und grinste ihn breit an.
»Es freut mich, dass ihr beide euch so gut versteht wie vor fünfzehn Jahren. Euren Streit hat man bis zur Treppe hören können«, sagte Hauser und lachte laut auf, als er die entsetzten Gesichter sah. »Macht euch keine Sorgen. Ich habe eure Stimmen erst vor der Tür vernommen.«
»Noch immer derselbe Schelm«, lachte Joß und umarmte den Freund erneut. »Es tut gut, dich wohlbehalten wiederzusehen. Lasst uns feiern«, schlug er vor. Seine trübe Stimmung war wie weggeblasen. »Bei einem Bier kannst du uns erzählen, woher du kommst und was du hier machst.«
Hausers lachende Gesichtszüge veränderten sich und wurden ernst. »Ich habe dir einiges mitzuteilen, Joß.«
Zur vorgerückten Zeit waren Joß, Kilian und Hauser die einzigen Gäste im Wirtshaus »Zur Sonne«.
»Das ist die letzte Runde«, sagte der Wirt zu den drei Männern, als er ihnen die gefüllten Krüge auf den Tisch stellte.
Kilian blickte Joß mitleidig an, der ungläubig den Kopf schüttelte. »Matthias«, murmelte er, und seine Hände umkrallten den Krug.
»Es wäre mir lieber gewesen, wenn deine Familie dir die traurige Nachricht mitgeteilt hätte«, erklärte Hauser und starrte in das Bier. »Ich wollte dich aber nicht im Ungewissen lassen.«
Joß nickte Hauser zu. »Ist schon gut, Jacob! Du hast das Richtige getan.«
Hauser sah zu den beiden Gefährten und sagte mit gedämpfter Stimme: »Wir dürfen keine weitere Zeit verlieren und müssen uns im Morgengrauen auf den Weg zu Else machen.«
Joß schaute ihn mit starrem Blick an und schluckte mehrmals. »Ich habe gerade erfahren, dass mein Sohn auf dem Schlachtfeld gefallen ist«, widersprach er scharf. »Was geht mich dieser Veit an?«
»Nichts«, gab Hauser zu. »Doch denk auch an deine Tochter!
Anna Maria hat viel, sehr viel auf sich genommen, um ihre Brüder zu finden, und sie hat alles dafür getan, dass Matthias neben seiner Mutter beerdigt wurde«, versuchte er um Verständnis zu werben. »Das Mädchen ist tagelang durch Schnee und Kälte marschiert, um dich zu finden, damit du ihr hilfst, ihren Mann zu retten. Verdammt, Joß! Das bist du ihr schuldig!«
»Du erzähltest, dass dieser Mann vor der Vermählung mit meiner Tochter verhaftet wurde«, erwiderte Joß.
»Verheiratet oder nicht – Veit hat deiner Familie zur Seite gestanden und gehört dazu. Dafür müsste jemand wie du Verständnis zeigen«, erwiderte Hauser, der den Unterton in der Stimme seines Freundes überhörte. Er blickte Joß herausfordernd an.
Joß kniff die Augen leicht zusammen. Er wusste, dass Hauser auf sein Doppelleben anspielte, und erwiderte: »Alles, was ich in meinem Leben gemacht habe, das man zweifelhaft nennen könnte, habe ich zum Wohle der Bauern getan.«
»Das streite ich nicht ab«, stimmte Hauser ihm zu. »Allerdings hast du es nicht zum Wohl deiner beiden Frauen und deiner Kinder getan.«
Joß erhob sich und stemmte sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab. Sein Gesicht verfärbte sich, und man konnte erkennen, dass er kurz davor stand, aufzubrausen. Aber stattdessen setzte er sich wieder und schwieg.
»Wir können nicht einfach aus Mömpelgard verschwinden«, gab Kilian zu bedenken. »Herzog Ulrich würde uns jagen. Auch können wir die Bauern nicht im Stich lassen.«
»Ich muss gestehen, dass ich verwundert war, als ich hörte, wie ihr mit Herzog Ulrich gemeinsame Sache macht. Er hat damals Jörg Tiegel …«
»Schweig!«, befahl Joß. »Wir wissen von Jörg und den anderen. Ulrichs Heer und sein Geld waren ausschlaggebend. Wir hätten keinen anderen fragen können«, verteidigte er sein Vorhaben.
»Beruhige dich«, sagte Hauser und senkte die Stimme, als er wissen wollte: »Weiß jemand, wo du die Jahre zwischen den Aufständen verbracht hast?«
Joß Fritz schüttelte den Kopf. »Nur die Menschen, denen ich vertraue«, erklärte er und blickte zwischen Hauser und Kilian hin und her.
»Wo will Ulrich dich suchen?«, fragte Hauser mit lachenden Augen. »Das Reich ist groß, und du könntest
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