Schwur der Sünderin
Röte ihr Gesicht.
»Dafür gibt es keine Anweisungen, Anna Maria. Du wirst es in dem Augenblick wissen, wenn ihr zusammen seid. Denk immer daran, dass du nichts falsch machen kannst. Die Liebe wird dich führen!«
Lena stand auf und umarmte Anna Maria. »Genieß das Gefühl, dass Veit dich und nur dich liebt. Das ist das Einzige, was wichtig ist. Alles andere wird sich ergeben. Und jetzt lass uns nach unten gehen, damit wir das Kleid deiner Mutter abändern, schließlich sollst du eine schöne Braut sein.«
Dankbar erwiderte Anna Maria die Umarmung. Sie konnte ihre Hochzeit kaum erwarten.
Kapitel 11
Als ein Schrei die morgendliche Stille auf dem Bauernhof zerriss, wusste jeder in der Küche, dass die kleine Christel ihn ausgestoßen hatte. Veit stieß seinen Stuhl zur Seite und rannte nach
draußen. Mitten auf dem Hof fing er das weinende Mädchen tröstend in seinen Armen auf. Schluchzend versteckte sie ihr Gesicht an Veits Schulter, unfähig, etwas zu sagen. Nikolaus stand ans Scheunentor gelehnt und weinte bitterlich.
Sarah, die ebenfalls in den Hof gestürzt war, nahm Veit das Mädchen ab und versuchte es zum Sprechen zu bewegen, doch die Kleine schwieg.
»Was ist geschehen?«, fragte Veit Nikolaus, als Jakob hinzukam und wortlos an ihnen vorbei in den Stall ging. Kurz darauf kam er zurück und sagte zu Veit: »Bring mir einen Hammer, rasch!« Dabei fuhr er Nikolaus tröstend übers Haar.
Veit fragte nicht nach, sondern rannte in die Werkstatt und holte das Werkzeug. Als er zurück in die Scheune ging, fing er Anna Marias fragenden Blick auf und zuckte mit den Schultern.
Anna Maria beschlich das Gefühl, dass es besser sei, wenn sie draußen wartete. Sie ging zu ihrem jüngsten Bruder und nahm ihn in den Arm. Der Elfjährige umfasste stumm die Taille seiner Schwester und hielt sie fest umklammert.
Seit einigen Tagen gingen Christel und Nikolaus in der Frühe zusammen in den Kuhstall. Der Junge hatte seiner Nichte das Melken beigebracht, und nun wollte die Vierjährige jeden Morgen sich selbst einen Krug warme Milch melken. So auch an diesem Morgen.
Was ist nur geschehen ?, dachte Anna Maria, als Veit zurückkam. Seine Unterarme waren mit Blut bespritzt, ebenso seine Hose. Kurz darauf verließ Jakob die Scheune, und seine Kleidung war ebenfalls blutverschmiert. Zudem hielt er den mit Blut besudelten Hammer in der Hand. Jakob rief nach einem Knecht, und als Mathis vor ihm stand, gab er ihm leise Anweisungen, sodass niemand etwas verstehen konnte. Nachdem Mathis in der Scheune verschwunden war, gingen Veit und Jakob zum Brunnen, wo sie sich das Blut abwuschen und den Hammer säuberten.
»Bring die Kinder in die Küche und gib ihnen warme Milch mit Honig. Das wird ihnen guttun«, sagte Jakob zu seiner Frau und versuchte zu lächeln. »Wir kommen sofort nach.«
Als Sarah und die Kinder außer Hörweite waren, blickte Anna Maria Veit und Jakob fragend an. Veit wischte sich die Hände an seiner Hose trocken und erklärte: »Letzte Nacht ist ein Kälbchen auf die Welt gekommen. Es war zu schwach, um aufzustehen, und ist unter die Hufe der Kühe geraten. Sein Kopf war furchtbar zertreten, trotzdem lebte es noch. Kein schöner Anblick für die Kinder.«
»Wir haben das Kalb erlöst«, sagte Jakob und ging ins Haus.
Anna Maria blickte ihrem Bruder hinterher und wusste, dass ihn das schwerverletzte Kalb nicht kalt ließ. Obwohl Vieh geboren wurde, um geschlachtet zu werden, und ein Bauer auch ein Schlachter war, würde er sein Vieh niemals leiden sehen wollen.
Anna Maria rieb sich über die Arme. In der Eile hatte sie es versäumt, sich ein Tuch umzulegen. »Lass uns nach drinnen gehen«, bat sie Veit, der sie festhielt.
»Bald ist es so weit! Ich werde die Wölfe in die Schlucht führen«, vertraute er ihr an. Glücklich umarmte Anna Maria ihren Liebsten.
»Dafür wirst du mehrere Tage benötigen«, gab sie zu bedenken.
»Ich weiß«, stimmte Veit ihr zu.
»Wie willst du den anderen deine Abwesenheit erklären?«
»Ich werde ihnen sagen, dass ich meinen Bruder suchen will, um ihn zur Hochzeit einzuladen.«
»Das ist wunderbar«, stimmte Anna Maria Veit zu. Nachdenklich zog Veit die Augenbrauen zusammen. »Du denkst doch wohl nicht, dass ich von der Wolfsschlucht aus zur Burg Nanstein gehen werde?«, fragte er verständnislos.
»Warum nicht?«, tat Anna Maria unbedarft.
»Du weißt, wie weit die Burg von der Schlucht entfernt ist. Da
würde ich womöglich meine eigene Vermählung verpassen.
Weitere Kostenlose Bücher