Schwur der Sünderin
sein, wenn wir durch ihn nicht noch mehr Scherereien bekommen.«
Peter hatte Mühe, sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen. Er wartete, bis sich sein Gemüt beruhigt hatte, und sagte: »Weißt du, was du da sagst? Veit ist der Mann unserer Schwester.« Peter ahnte, dass Jakob widersprechen würde, und fügte rasch hinzu: »Einerlei, ob die Trauung stattgefunden hat oder nicht. Anna Maria liebt ihn und vertraut ihm. Unsere Schwester hat uns erklärt, wie es dazu gekommen ist, dass Veit vor Wölfen keine Angst hat und ihnen hilft.«
Jakob schwieg und strich sich müde über das Gesicht. Er atmete heftig aus und sagte: »Seien wir ehrlich, Peter: Was können wir schon ausrichten? Sollen wir Ullein zusammenschlagen? Sieh uns an!« Er lachte bitter. »Wir sind zwar kräftige Männer, aber dein Arm ist verkrüppelt, und auch ich habe durch meinen Unfall vor vielen Jahren einige Makel zurückbehalten. Mit Ullein sprechen? Da können wir auch mit dem Gaul reden, da erreichen wir genauso wenig. Glaube mir, Veit ist verloren, und je eher wir uns das eingestehen, desto besser ist es.«
Peter schwieg, denn er wusste nicht, wie er seine Bitte in Worte kleiden konnte, ohne dass Jakob toben würde. Doch da ihm
keine andere Möglichkeit einfiel, sagte er unvermittelt: »Du weißt, Jakob, dass es noch eine Möglichkeit gäbe, Veit zu retten.«
Jakob horchte auf, doch als er Peters Blick sah, ahnte er, was sein Bruder meinte. »Nein! Niemals«, schrie er, sodass das Pferd erschrak und wieherte. Peter beruhigte den Wallach und fragte: »Warum? Schließlich geht es um Veits Leben. Vater wäre der einzige Mensch, den Ullein und all die anderen fürchten würden.«
»Ich will diesen Mann hier nicht sehen«, schimpfte Jakob mit verhaltener Stimme, um das Pferd nicht erneut zum Scheuen zu bringen.
»Bist du von Sinnen?«, entgegnete Peter. »Vater ist immer noch der Bauer dieses Gehöfts, und du nur der Hoferbe.« Er blickte seinen Bruder scharf an und warf ihm vor: »Du hast Angst, dass du deinen Platz abgeben musst, sobald Vater zurück ist.«
»Unfug! Ich wäre erleichtert, wenn ich die Verantwortung loswürde.« Jakob blickte Peter forschend an und presste dann hervor: »Du scheinst dir über Vaters zweite Frau keine Gedanken zu machen.«
Fragend zog Peter die Augenbrauen zusammen, sodass eine steile Falte über seiner Nase entstand. »Warum sollte ich? Ich kenne sie nicht.«
»Denk nach!«, zischte Jakob. »Wenn wir Vater rufen und er zurückkommt, wird er sicherlich dieses Weib mitbringen. Womöglich hat er mit ihr Kinder, die uns unser Erbe streitig machen werden.«
Peters Augen weiteten sich. »Daran habe ich nicht einen Augenblick gedacht«, murmelte er.
Jakob nickte und erklärte ihm ernst: »Wir waren fünf Geschwister, und mit dieser Else hat Vater vielleicht auch drei, vier oder mehr Kinder. Wenn sie alle von den Ländereien abhaben wollen, musst du mit Annabelle und dem Kind nach Mühlhausen gehen, da der Hof uns nicht alle ernähren kann.«
Jakob blickte Peter streng an. Als er sah, wie sein Bruder bleich wurde, atmete er erleichtert aus. Endlich hatte er begriffen.
»Wir müssen das auch Anna Maria erklären«, sagte Jakob. »Sie wird meinen Entschluss, Vater in der Fremde zu lassen, hoffentlich verstehen.«
Peter dachte nach: »Aber was ist, wenn wir uns irren? Wenn diese Else Schmid kein Verlangen hat, mit Vater nach Mehlbach zu kommen? Vielleicht will Vater sie hier nicht haben. Vielleicht ist sie wie unsere Mutter bereits tot oder krank oder neu verheiratet. Schließlich waren Vater und sie viele Jahre getrennt. Vielleicht haben sie nur ein Kind, das froh wäre, wenn es uns als Geschwister hätte. Vielleicht …«
»Halts Maul«, zischte Jakob. »Du kannst doch nicht ernsthaft so denken und alles aufs Spiel setzen, was wir uns über Jahrzehnte aufgebaut und erarbeitet haben!«
»Wir werden Hauser fragen, ob Vater mit dem Weib Kinder hat«, sagte Peter energisch und erhob sich. »Dann werden wir neu überlegen.«
Hauser saß vergnügt mit Lena in der Küche zusammen, als die Hofmeister-Brüder zu ihm kamen und ihn fragten. Erstaunt blickte er die beiden Männer an. »Ich wüsste nicht, dass Joß und Else Kinder haben. Ich werde Gabriel fragen, um sicherzugehen«, schlug er vor und ging hinaus. Kurz darauf kam er wieder und schüttelte den Kopf. »Er sagt auch, dass sie keine haben.«
Zufrieden schaute Peter zu Jakob. »Dann wäre das geklärt, und wir können darüber nachsinnen, wie wir Vater
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