Schwur der Sünderin
finden.«
Als Jakob nichts erwiderte, murmelte Hauser: »Endlich! Wir haben schon zu viel Zeit vertrödelt.«
In diesem Augenblick klopfte es an der Haustür, und Lena eilte nach draußen, um nachzusehen.
»Ein Fremder steht vor dem Haus«, sagte sie leise, als ob der Mann vor der Eingangstür sie hören könnte.
»Was will er?«
»Anna Maria sprechen!«
Peter sprang sofort hoch. »Sie kommen sie holen«, raunte er und schaute entsetzt seinen Bruder an.
»Warum sollten sie Anna Maria holen?«, fragte Jakob ebenso leise zurück.
»Die Bauern haben sie als Wolfsbraut beschimpft. Vielleicht denken sie, dass auch Anna Maria mit den Wölfen sprechen kann.«
In diesem Augenblick sagte eine unbekannte Stimme an der Küchentür: »Entschuldigt, Bauern. Aber draußen ist es kalt, und es gruselt mich in der Dunkelheit.«
»Wer bist du?«, fragte Hauser und stellte sich breitbeinig vor den Fremden.
»Ein Mann, der im Gefängnis von Katzweiler sitzt, bat mich, euch aufzusuchen.«
Erstaunt blickten die Männer den Fremden an. »Veit!«, flüsterte Peter.
Der Unbekannte zuckte mit den Schultern. »Ich kenne seinen Namen nicht. Er sagte nur, dass ich hierher kommen soll und ihr mich dafür entlohnen würdet.«
Hauser betrachtete den Mann kritisch. Seine Kleidung war zwar abgewetzt, aber anscheinend aus gutem Stoff. Seine Erscheinung war ungepflegt, und er stank nach Bier und Schnaps. Auch rieb er unruhig seine Hände aneinander.
»Möchtest du Wein trinken?«, fragte Hauser, und der Mann nickte sofort. Als Lena ihm den Becher reichte, zitterten seine Hände, und er trank gierig.
Peter hatte derweil Anna Maria gerufen, die in die Küche stürmte.
»Wie geht es Veit?«, rief sie, noch bevor sie den Mann sah.
»Er weiß nicht, ob es Veit ist«, erklärte Jakob.
»Wer sollte es sonst sein?«, erwiderte Peter und bat: »Erzähl uns, was du weißt.«
Hauser erkannte den gierigen Blick des Mannes und schenkte nach. Nachdem er das zweite Glas in einem Zug getrunken hatte, begann der Mann zu berichten: »Der Sohn des Försters hat den Mann in das Verlies des Katzweiler Rathauses eingesperrt. Ich habe keine Ahnung, was man ihm vorwirft. Aber er ist schwer verletzt. Damit er kein Wundfieber bekommt, habe ich seine Wunden ausgebrannt. Ich hoffe, dass es ihm nützt.«
Als Anna Maria und Lena das hörten, sogen sie die Luft zwischen ihren Zähnen ein. »Wie geht es ihm? Kann ich ihn sehen?« , fragte Anna Maria hoffnungsvoll.
Der Mann schob wortlos seinen leeren Becher über den Tisch, den Hauser sogleich auffüllte. »Wie es ihm geht, willst du wissen? Ich weiß nicht, ob er überleben wird. Seine Wunden waren tief, und es waren viele. Aber er will dich sprechen«, sagte er und blickte Anna Maria ernst an.
»Ich muss zu ihm«, sagte sie kopflos und sprang auf.
»Man wird dich nicht zu ihm lassen. Ein Kerkermeister bewacht ihn, und auch dieser Ullein sieht ständig nach ihm. Ich habe gehört, dass er deinen Mann in den nächsten Tagen zum Grundherrn bringen will.«
»Aber er will mich sehen«, sagte sie aufgebracht.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Er sagte nicht, dass er dich sehen will. Er will dich sprechen . Ich vermute, dass Ullein ihm etwas gesagt hat, was er dir erzählen möchte. Dein Mann schien deshalb sehr besorgt zu sein.«
»Wie soll ich ihn sprechen, wenn ich nicht zu ihm kann?«, schrie Anna Maria und sackte weinend auf dem Stuhl zusammen. Lena konnte sie nur mühsam beruhigen.
»Gibt es ein Lüftungsloch, durch das meine Schwester mit Veit reden könnte?«, überlegte Peter laut.
»Natürlich gibt es ein Lüftungsloch, doch das sitzt so weit oben, dass man nicht heranreicht. Außerdem ist die Stimme dieses Mannes so schwach wie er selbst.«
»Ich werde mit dir gehen«, sagte Peter.
»Bist du von Sinnen?«, brüllte Jakob ihn an. »Wenn Ullein dich sieht, wird er dich zu Veit in das Verlies sperren.«
Daraufhin stürzte sich Anna Maria auf ihren älteren Bruder, hieb ihm mit den Fäusten auf die Brust und schrie: »Wenn es nach dir ginge, würdest du Veit im Kerker sterben lassen! Du tust nichts, um ihn zu retten.«
Hauser zog sie von Jakob weg und versuchte zu schlichten. »Sag so etwas nicht, Anna Maria. Jakob hat Recht. Niemand von euch kann zu Veit gehen, ohne erkannt zu werden und Gefahr zu laufen, selbst verhaftet zu werden. Mich hingegen kennt niemand. Ich werde gehen.«
»Dieser Vorschlag ist ebensolcher Unfug. Was willst du sagen, wer du bist und warum du den Gefangenen sehen
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