Schwur des Blutes
Dosen. Ihr Mittelfinger brach, ihr Leib loderte auf vor Schmerzherden. Ein Geruch fuhr ihr in die Nase. Sie sammelte sich, erfasste blitzschnell die Situation und wich der langen Axt aus, indem sie sich nach vorn über die wunde Schulter abrollte. Sam nutzte den Schwung und stürzte sich auf Amy. Sie fiel mit vollem Gewicht auf sie und schaffte es, Amy das Tuch mit dem Chloroform ins Gesicht zu drücken. Die Gegenwehr erlahmte.
Keuchend presste sie Amy nieder, bis sie sicher war, dass der Körper unter ihr völlig ruhig lag. Ihr wollten Tränen kommen, doch sie ließ es nicht zu, jetzt darüber nachzudenken, was gerade geschehen war. Bestimmt würde das Chloroform nicht lange wirken. Sie wusste ja nicht, wie lange der Stofflappen schon herumgelegen hatte.
„Cira? Wach auf!“ Sam gab Cira einen Klaps auf die Wange, nachdem sie ihr einen Mullverband aus dem Jeep um das Bein gewickelt hatte, um die Blutung zu stoppen.
„Mist, Mist, Mist!“, schimpfte sie. Was sollte sie tun? Wenn es wenigstens nur ein Dämon in irgendeiner Erscheinung wäre und nicht ausgerechnet einer in Amys Gestalt oder Seele. Sie zog Amy mit letzter Kraftanstrengung auf die Rückbank des geklauten Geländewagens. Mit zittrigen Händen hielt sie das herausgerissene Kabel unter dem Lenkrad an den Anlasserpunkt. Der Wagen sprang an. Sie ließ die Zentralverriegelung schließen, würgte den Motor ab und riss einmal kräftig an den Kabelsträngen. Sie schlug alle offenen Türen zu. Ob das diesen Teufel in Amy lange aufhalten würde?
Unter Schmerzen sackte Sam auf die Knie und hievte Cira auf ihre Arme. Mann, war diese zarte Frau schwer! Sie schaffte es gerade, sich mit ihr auf den Beinen zu halten. Wie besoffen schaukelte Sam aus der Garage. Den Himmel durchzuckten grelle Blitze. Ein fernes Konzert verschiedener Sirenen drang durch das Grollen des Donners. Der nahende Abend wirkte beinahe so düster wie die Nacht. Sturmböen fingen sich in der Gasse, brachten sie ins Wanken. Hagelkörner trafen sie und sie beugte den Kopf über Ciras, während sie sich mühsam vorwärts schob. Sie erreichte das Ende der schmalen Zufahrt. Jeez! Was ging hier ab?
Leute rannten, flohen die Powell Street entlang an ihr vorüber. Panik verzerrte ihre Gesichter, meißelte sie zu Horrormasken. Keiner beachtete sie, hörte ihre Bitte um Hilfe. Fahrzeuge standen verkeilt, ein endloses Verkehrsschlachtfeld. Alarmanlagen schrien, Hupen tönten, Menschen weinten. Es stank nach Benzin und Feuer. Das sich ankündigende Chaos war ausgebrochen.
Gott, wie sollte sie Timothy bloß finden? Warum war sie Amy und Cira gefolgt, als Amy, von einem irren Geheimnis faselnd, Cira vom Schiff gelockt hatte? Amy hatte es nicht erzählen wollen, dort, wo Vampirohren mithörten. Oh Mann! Sie hätte den Braten riechen müssen, ein ungutes Gefühl hatte sie doch gewarnt. Sie hätte Timothy oder Jonas Bescheid geben müssen, anstatt Amy hinterherzuradeln. Aber dann wären sie ihr entkommen …
Jemand rammte im Vorbeilaufen ihre Schulter. Sam taumelte, verlor beinahe das Gleichgewicht. Sie schleppte sich weiter, doch ihre Kräfte ließen allmählich nach. Erschöpft kniete sie nieder und bettete Cira auf ihre Beine. Nässe sickerte in ihre Kleidung, kroch ihr die Beine hinauf. Mühsam verkniff sie sich ein Aufstöhnen, als das schmerzhafte Pochen in ihrem Finger und das Brennen weiterer Blessuren zunahmen und die Schwelle von Das-wird-gleich-Wieder überstieg. Was sollte sie nur mit der schwer verletzten Cira tun in all dem Chaos? Am liebsten hätte sie sich ausgeruht, aber ihnen lief die Zeit davon, sie brauchten dringend Hilfe. Zu allem Überfluss würde dieser Dämon sich irgendwann aus dem Wagen befreien und sie weiter jagen.
„Scheiß Ring! Scheiß Wetter! Scheiß Dämon!“, schimpfe sie gegen ihre Schmerzen an und durchwühlte Ciras Taschen. Sie fand ein Handy. Ohne es zu wollen, schluchzte sie auf. Rasch blätterte sie die Nummern durch und wählte. Jonas’ Handy war tot. Timothys Handy war tot. Ny’lanes Handy war tot.
Beinahe hätte sie das Ding in den nächsten Gulli geworfen. „Ruhig, bleib ruhig“, ermahnte sie sich und strich sich das klatschnasse Haar aus der Stirn. Mit einem Arm hielt sie Cira auf ihrem Schoß. Das Reißen der Muskeln trieb ihr Tränen in die Augen.
„Weiter!“ Der Notruf. Besetzt. Besetzt. Besetzt.
„Argh!“ Die anderen Namen und Abkürzungen in der Telefonliste sagten ihr nichts, aber bei Alex Baker hielt sie inne. Ein Vampir, hoffentlich!
Sie war drauf und
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