Science Fiction Almanach 1981
zerklüfteten, zerschundenen Höhen, basal t schwarz oder gelbgrau wie wettergegerbte Knochen. Er eri n nerte sich an Bilder des Mondes, stellte sich vor, er wäre dort, der erste Mensch, der seit dem Holocaust eine andere Welt betrat, der erste Mensch seit zweihundertfünfzig Jahren … Er lächelte.
Als er in das Cockpit kletterte, stieß er mit seinem schmerzenden Fuß gegen den Türrahmen. „Mutter Gottes!“ Mit verzerrtem Gesicht ließ er sich in den Pilotensitz fallen. „Dieser Tag kann eigentlich nur noch besser werden.“ Er startete die Maschine. In einer Wolke aufgewirbelten Sandes erhob der Kopter sich in die Luft.
Amanda nippte an ihrem Tee und betrachtete die Sonne n strahlen, die auf dem unbewegten Wasser der Bucht spie l ten, durch das unzerstörte Fenster des Hauses ihrer Schw e ster. Sie setzte ihre Tasse ab und machte sich wieder daran, das seidige, dunkle Haar Alicias, ihrer Nichte, zu bürsten. Rote Schlaglichter flackerten zwischen ihren farbbeklecke r ten Fingern, wie Lichter auf einer Wasseroberfläche, das mahagonifarbene Echo ihrer eigenen kastanienbraunen Lo c ken, die unter den Rändern ihrer Kopfbedeckung hervorlu g ten.
Alicia wandte sich zu ihr um, plötzliche Ungeduld zeigte sich auf dem stupsnasigen Gesicht. „Och! … Tante Amanda, erzählst du uns noch eine Geschichte, bitte?“ Sie zupfte an den Trägern von Amandas ledernem Kleid und verdrehte sie.
Amanda schüttelte den Kopf. „Nein, Alicita, ich kann mir keine weiteren Geschichten mehr ausdenken; ich habe dir bereits drei erzählt. Nimm Hund mit nach draußen, du und Mano, ihr könnt ihn nach Stöckchen suchen lassen.“ Sie ließ das kleine Mädchen hinunterrutschen; mit bloßen Füßen blieb es auf dem Steinfußboden stehen. Sie brachte ihre Tr ä ger wieder in Ordnung. Hund winselte unter dem Tisch, als die Kinder ihn am Halsband packten. Er hob sein borstiges, gelbes Gesicht, seine Kiefer schnappten und schlossen sich wieder zu einem Gähnen, mit einem Klack zusammenpra l lender Zähne. Er kratzte sich, seufzte und gehorchte. Sie hörte, wie seine Zehennägel auf den Steinfließen knirschten, dann glückliches Lachen im Hof, Laute, die sie nur sehr se l ten vernahm.
Ihre Schwester kam vom Feuer zurück, sie bewegte sich langsam, wegen ihres Klumpfußes, den ihr langes Kleid verbarg. Sie lehnte ihre Krücke gegen den Tisch und setzte sich wieder in den hochlehnigen Stuhl. „Glaubst du wir k lich, es ist richtig von ihnen, mit Hund zu spielen, Amanda? Nach allem … er war … nun …“
Amanda lächelte. Er war ein knurrender, halbverhunge r ter Bastard gewesen, als sie mit Steinen nach ihm geworfen hatte – er hatte Eier gestohlen – wobei sie ihm ein Bein brach. Und dann hatte sie ihm reuevoll Nahrung zugeworfen und ihm ein Zuhause gegeben. Wenn er auf seinen Hinte r beinen stand, war er ebenso groß wie sie, sein senfgelbes Fell war gezeichnet von den Kratzern vergangener Kämpfe, seine herabhängenden Ohren waren stellenweise eingeri s sen. Er würde jeden angreifen, der ihr etwas zuleide tat, und darum behielt sie ihn … Doch er schlief friedlich zu ihren Füßen, in den langen, einsamen Stunden, und lehnte seinen häßlichen Kopf gegen ihre Knie, wenn sie in ihrem Scha u kelstuhl saß, und wen auch immer sie liebte, den liebte er auch, und auch darum behielt sie ihn. „Das ist schon in Or d nung, Teresa. Da bin ich sicher.“
Ihre Schwester nickte und drehte die Tasse auf dem U n tersetzer. Regenbogen funkelten im opalisierenden Glas der Tasse. Teresa berührte plötzlich mit beiden Händen ihren geschwollenen Rücken. „Ah! Tag und Nacht werde ich g e peinigt. Der kleine Teufel … ich habe Blutergüsse, glaubst du mir das?“ Sie seufzte.
Amanda lachte mitfühlend, sie verbarg ihren Neid, weil Teresa auch ihren Stolz verbarg.
„Wie kannst du dir nur immer die ganzen Geschichten au s denken, die du den Kindern erzählst?“ Teresa rieb sich noch immer mit glücklicher Miene den Rücken; Amanda fühlte, wie ihr Lächeln verblaßte. „All diese wundersamen Städte und seltsamen Landschaften, diese Ballons, die groß genug sind, um einen Mann in einem Korb zu transportieren … wir k lich großartig, Amanda! Manchmal glaube ich, Jose ist noch weit mehr von ihnen angetan als die Kinder … Du bist so gut zu den Kindern …“ Amanda sah, wie der glückl i che Ausdruck verschwand. „Oh, Amanda, warum hast du nur Vater nicht gehorcht! Du könntest auch Kinder haben – und einen Mann
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