Science Fiction Almanach 1981
bei der Geburt bestimmte Erwartungen und Persönlic h keitsmerkmale zuweist, die nur davon abhängen, ob wir mit einer Vagina oder einem Penis geboren wurden. Diese wil l kürliche Zuweisung, gebunden allein an den Besitz von I n nen- oder Außenleitungen, beschränkt unsere Chancen als Mädchen, Jungen, Frauen und Männer, unser volles Potential zu entwickeln, und sie behindert die Gesellschaft, in der wir leben. So sind Feministinnen entschlossen, sowohl die Stere o typen in unserem eigenen Leben zu durchbrechen als auch auf eine soziale Veränderung hinzuarbeiten. Das schließt die g e naue Untersuchung der Bücher ein, die wir lesen.
Wenn ich nicht einen feministischen Standpunkt beziehe, bin ich in der Lage, genau die Bücher, die ich zitiert habe, in manchen ihrer Aspekte zu genießen und bestimmte Leistu n gen ihrer Autoren zu bewundern. Es sieht jedoch mehr und mehr so aus, als würde ich, wenn ich nicht einen feminist i schen Standpunkt beziehe, mein Urteil zu gewissen Aspe k ten der Welt zurückhalten, die wirklich schlecht sind.
Und wer ist für die Vernachlässigung der Frauen in der SF verantwortlich? Die Autoren? Die Kritiker? Die Herau s geber? Die Fans? Frauen? Männer? Die Gesellschaft? Die Antwort auf diese Frage ist: alle. Und die Gründe für diese Einschätzung beziehen sich auf vier wesentliche Annahmen über die Literatur:
1. Autoren enthüllen bewußt ihre Wertvorstellungen in ihren Werken.
2. Autoren enthüllen unbewußt ihre Wertvorstellungen in ihren Werken.
3. Literatur reflektiert die Gesellschaft.
4. Literatur gestaltet die Gesellschaft.
Isaac Asimov hat einmal die Meinung geäußert, SF sei nie die Fluchtliteratur gewesen, als die man sie manchmal bezeichnet, sondern Autoren und Leserschaft hätten sich schon mit den ersten Tatsachen der A-Bombe, der Umwel t verschmutzung und der genetischen Manipulation auseina n dergesetzt, lange bevor die Massenmedien und das allg e meine Publikum sich darüber Gedanken gemacht hätten. Um das Genre gegen jene zu verteidigen, die sich nicht damit auskennen, zitiere ich manchmal aus Future Shock die Ze i len über SF als Soziologie der Zukunft. 25 Aber wie die z u sammengewürfelte Geschichte von October The First is Too Late waren die Extrapolationen an das Thema gebunden, durchkonstruiert in manchen Gebieten und naiv in anderen. Der größte Teil der SF war dem Sexismus gegenüber völlig unsensibel, und mit dem Problem der geschlechtlichen Ro l lenverteilung hat sie sich nicht auseinandergesetzt. Es ist zwar wahr, daß ein Buch nur einen Teil der Realität darste l len kann, obwohl Philip Jose Farmer seine Riverworld kühn mit allen Menschen, die je gelebt haben, bevölkert. Aber es kann kein Zufall sein, daß seit Jahrzehnten alle Autoren wahllos über Personen geschrieben haben, die ausnahmslos männlich, jung, aktiv und bewundernswert sind, und ich glaube auch nicht, daß das für jene unter uns, die nicht-männlich und vielleicht nicht-jung sind, ohne schädliche Folgen geblieben ist, da wir nun durch die Definition der Ausschließung auch als nicht-aktiv und nicht-bewundernswert zu gelten haben.
Berücksichtigen wir die Annahmen Nummer 2 und 3 über Autoren, Literatur und Gesellschaft, so ist der implizite und explizite Sexismus der fiktiven Gesellschaften der Zukunft kaum erstaunlich. Wir haben es mit einem Bewertungsra h men von primär männlichen Autoren zu tun, die für ein P u blikum von primär männlichen Lesern schreiben. Aber auch die Annahmen Nummer 1 und 4 sind wichtig. Autoren tre f fen beim Schreiben eine bewußte Wahl, und die Literatur gestaltet die Gesellschaft. Trotz all jener Stories über die Gewissensqualen von Wissenschaftlern, die Waffen bauen, scheinen Autoren, die den Vorwurf des Sexismus ablehnen, sich über die Konsequenzen ihrer Arbeit nicht im klaren zu sein. Literatur ist zum Genießen da, selbstverständlich. Von allen Literaturgattungen soll SF, besonders wenn das S für spekulativ steht, angeblich eine Literatur von Ideen sein. Eine der Stärken der Gattung, vielleicht ihre einzige soziale Ehrenrettung, liegt darin, daß die Gesellschaft von morgen wesentliche Metaphern für heute sind.
SF, Sex und der alleinstehende Mann -
Andern sich die Zeiten wirklich?
Alexei Panshin ruft uns ins Gedächtnis zurück, daß das Pr o blem weniger als Vernachlässigung der Frauen denn als Überbetonung der Männer interpretiert werden kann: „Auch ich bin der Meinung, daß junge Mädchen in der
Weitere Kostenlose Bücher