Science Fiction Almanach 1982
wie früher bei Erklärung eines Krieges.
8. Der „aktive Friede“ wird als Feldzug geführt. Seine Erfordernisse gehen allem andern vor. Er dauert an, bis in ganz C. E. der belgische Standard von 1939 in Nahrung, Kleidung und Wohnung erreicht ist.
9. Die Kosten werden durch die UNO bei sämtlichen Mitglieds-Staaten aufgebracht. Anteil von C. E. wird später verrechnet. Der „aktive Friede“ wäre mit den Kosten eines dritten Weltkrieges noch billig bezahlt. In Wirklichkeit werden die Kosten nur einen Bruchteil der Kosten des zweiten Krieges betragen.
10. bis 31. Oktober 1951 entscheidet die UNO gegebenenfalls durch Volksentscheide – ob Fortbestehen von C. E. oder Rückkehr zu alten Nationalstaaten.
Vlacek: Aus. Ende der Pariser Besprechungen.
Da – alle stehen auf, schütteln einander die Hände. Wechseln freundliche Worte. Gehen hinaus. Beobachten Sie den Unterschied zu Moskau! Keine Nationalhymnen. Keine Ansprachen. Eine sachliche Arbeitstagung ist zu Ende. – Der nüchterne Schwanengesang der alten Diplomatie.
Dann lasen oder hörten Hunderte von Millionen dieses Protokoll. In welcher Stimmung mag Shaw an diesem Abend gewesen sein? Wir wissen es nicht.
Hier – sehen Sie ihn noch einmal. Wieder geht er auf seiner Terrasse auf und ab. Allein. Vielleicht denkt er nach über den Titel seines nächsten Stückes? Wir wissen heute: Es war die wunderbare politische Komödie „Geschichte ist Utopie“.
Und da – ist auch Mr. Stone noch einmal. Zu Haus. Und seine Frau. Und eine Zeitung. Aha, – die beiden haben eben das Pariser Protokoll gelesen. Mrs. Stone scheint aber recht unzufrieden mit dem Ergebnis:
Frau Stone: Wieder aufgeschoben! Wieder kein Friede! Du hast recht: Diese ganze Politik …
Stone (unterbricht): Mary – diesmal ist es ganz anders.
Frau Stone: Wieso: Haben sie etwa Frieden geschlossen?
Stone: Frieden erklärt! Das ist viel besser!
Frau Stone: Versteh’ ich nicht. Leere Worte.
Stone (geduldig): Paß mal auf! Wenn du ein Photo geknipst hast, dann hast du ein Bild, aber du kannst es noch nicht sehen.
Frau Stone: Ja.
Stone: Erst wenn du den Film in einen Entwickler legst, bekommst du das Bild. Aber – es ist nicht erst jetzt entstanden. Es war längst da! Und – genau so ist es mit der Welt. Das alles – Frieden, UNO, Einheit, Planung – das war längst da. Aber wir sahen es nicht.
Frau Stone (lacht): Bis einer kam und das Bild entwickelte … Ja … und was kommt nun?
Vlacek: So fragen wir heute nicht mehr. Im Jahre 2047 kennt jedes Schulkind die Geschichte der letzten hundert Jahre. Die Entstehung unserer Welt:
Aus C. E. wurde Shaw-Land. 1951 stimmten kaum noch 20 Prozent der Bewohner für Rückkehr zu den alten Nationalstaaten. Wie ein Kristall reicherte sich dies Kerngebiet an. Alle wollten teilnehmen an seinem organischen Wachstum: 1952 Skandinavien, nach einer Volksabstimmung; 1960 Frankreich, 1962 England, 1965 Amerika. Eine Weile lang gefährdete die Bewegung des „Solidarismus“ die Freundschaft zu Rußland. Es begann das Jahrzehnt der sozialen Entscheidungen, mit seinen Krisen in den siebziger Jahren, die mehrmals bis hart an den Bürgerkrieg führten. Doch zu stark war inzwischen der Geist des „aktiven Friedens“ geworden. 1972 trat auch Rußland bei. Die gesellschaftliche Ordnung wurde wesentlich durch die fortentwickelte Lehre von Marx bestimmt. Den Abschluß dieser Epoche bildete 1992 das Erscheinen unserer politischen Philosophie, des „Harmonismus“.
Zwei Stunden waren wir, meine Hörer und Miterlebenden, im 20. Jahrhundert. Oft schien es, als seien wir nicht hundert, sondern tausend Jahre in der Vergangenheit zurückgewandert. Gewiß ist Ihnen vieles seltsam erschienen und unglaubhaft. Aber fühlen wir uns nicht allzu erhaben über die Menschen von damals. Sie sind unsere Väter. Ihnen danken wir letztlich unsere harmonische Welt. Sie nahm ihren Anfang aus dem heroischen Kampf gegen leere Ideale und unverständliche Verirrungen. Vor allem aber aus der Überwindung jener lebensfeindlichen Furcht des Menschen vor sich selbst.
(Musik: Hymne. Absage.)
Susanne Päch
Die Utopie der Gestrigen
Lange galt er als Geheimtip; inzwischen hat es sich herumgesprochen: die deutsche Science Fiction begann mit Kurd Laßwitz, einem Gymnasialprofessor aus Gotha.
Natürlich gab es Vorläufer. Sie stammen aber nicht aus der Tradition der deutschen Romantiker vom Schlage eines E. T. A. Hoffmann, sondern
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